Häusliche Gewalt ist keine Privatsache

Erstellt am 09.12.2022

Expertinnen der Evangelischen Frauenhilfe referieren während Aktionswoche im Kulturbahnhof in Werl

Wie zeigt sich Gewalt im häuslichen und familiären Bereich – das stand im Mittelpunkt eines Vortrags im Kulturbahnhof Werl. Foto: Toni Nitsche

Von Toni Nitsche

Werl. Das Recht für Frauen auf ein Leben frei von Gewalt ist ein Menschenrecht. Doch wie Maike Schöne, Leiterin des Frauenhauses Soest, und Barbara Batzik von der Frauenberatungsstelle berichteten, sieht die Realität anders aus. 

Zum „Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen“ referierten Maike Schöne, und Barbara Batzik, die unter dem Dach der Trägerschaft der Evangelischen Frauenhilfe Westfalen beschäftigt sind, im Kulturbahnhof Werl über die Gewalt an Frauen.  In Kooperation mit den beiden Einrichtungen der Evangelischen Kirche sowie der Stadt Werl und den Soroptimisten Werl wurde mit dem Vortrag die Aktionswoche eröffnet.

Die beiden Fachfrauen berichteten, dass unzählige Frauen und Kinder durch Gewalt und deren Folgen betroffen sind. Sie begannen ihre Einführung mit der Feststellung, dass Frauen häufig die Schuld gegeben wird, wenn sie Gewalt erfahren. Sie ließen wissen, dass betroffene Frauen aus Scham und Angst nicht über das Erlebte sprechen.

Maike Schöne und Barbara Batzik brachten den Leitgedanken der Aktionswoche auf den Punkt: „Häusliche Gewalt ist keine private Angelegenheit, sondern ein gesellschaftliches Problem. Wir müssen alle hinschauen und handeln.“

Ziel der Aktionswoche war, Situationen richtig einzuschätzen und Betroffenen dabei zu helfen, die richtigen Anlaufstellen zu finden. In Deutschland werde etwa jede dritte Frau während ihres Lebens Opfer von körperlicher und/oder psychischer Gewalt, berichtet Maike Schöne zu Beginn des Vortrages. Sie erzählte weiter, dass diese Gewalt in allen sozialen Schichten und in allen Altersklassen existiere. „Die Corona-Pandemie hat zu noch mehr häuslicher Gewalt geführt“, so die Leiterin des Frauenhauses Soest.

Maike Schöne und Barbara Batzik konfrontierten die Teilnehmerinnen mit verschiedenen Formen der Gewalt an Frauen und Kindern ein. Dabei ging sie auf die häusliche-, digitale, sexualisierte-, körperliche oder auch strukturelle Gewalt ein.  Maike Schöne verdeutliche, dass viele Frauen vor der körperlichen Gewalt viele Jahre psychischer Gewalt ausgesetzt sind, was aber häufig nicht als Gewalt wahrgenommen wird.   „Das hat viel mit der mangelnden Aufklärung der psychischen Gewalt zu tun“, teilte sie mit.

Formen der psychischen Gewalt sind Angst verbreiten, Anschreien, Zermürben, Schlafentzug oder auch das Vorenthalten von Medikamenten. „All diese Gewalthandlungen sind schwer nachweisbar“, so Maike Schöne. Die Täter sind meist die Partner im häuslichen Bereich oder auch Ex-Partner und Personen, die in familiärer Beziehung stehen.

Barbara Batzik berichtete von „Coercive Control“ - „Zwang und Kontrolle“ oder „erzwungene Kontrolle“. „Übermäßige oder zwanghafte Kontrolle ist ein zentraler Bestandteil von häuslicher Gewalt. In Großbritannien wird die sogenannte Zwangskontrolle („Coercive Control“) als Form der häuslichen Gewalt anerkannt und stellt eine Straftat dar. „In Deutschland ist das Phänomen dagegen noch wenig bekannt“, so Batzik.

Die britische Frauenrechtsorganisation „Women‘s Aid“ definiert Coercive
Control wie folgt: „Zwangskontrolle ist eine Handlung oder ein Handlungsmuster
aus Beschuldigungen, Bedrohung, Demütigung und Einschüchterung o.ä., das
eingesetzt wird, um das Opfer zu verletzen, zu bestrafen oder ihm Angst zu machen.
Dieses kontrollierende Verhalten bezweckt, eine andere Person abhängig zu
machen, indem sie von Unterstützung isoliert, ausgebeutet, ihrer Unabhängigkeit
beraubt und in ihrem alltäglichen Leben reguliert wird.“

Sie teilten Folgen und Schutzfaktoren der Gewaltformen mit. Am Ende gab es Praktische Ratschläge für Paarbeziehungen.

Wo es Hilfe gibt

Wenn Familienangehörige oder Freund*innen, die häusliche Gewalt mitbekommen oder befürchten können diese sich an die verschiedenen Beratungsstellen im Kreis Soest wenden. Eine Beratung ist auch anonym möglich. Eine Liste mit Anlaufstellen findet sich auf www.kreis-soest.de/aktiongegengewalt. Auf der Internetseite steht auch dauerhaft ein Methoden- und Materialpool für die Arbeit an Schulen zum Download bereit.