Mehr Bildung für Flüchtlingskinder

Erstellt am 16.12.2022

Mit 10.000 Postkarten wird auf Missstände in den Zentralen Unterbringungseinrichtungen aufmerksam gemacht

Die ZUE in Soest ist die größte im Kreis. Sechs Monate und länger bleiben Flüchtlinge hier, bevor sie an Kommunen weitergeleitet werden.

Von Hans-Albert Limbrock

Kreis Soest. Mit Soest, Echtrop und Wickede gibt es im Kreis Soest gleich drei von 28 Zentralen Unterbringungseinrichtungen (ZUE) für Flüchtlinge in Nordrein-Westfalen. Mehre tausend Flüchtlinge sind in ihnen untergebracht – manche für Jahre. Der Evangelische Kirchenkreis Soest-Arnsberg organisiert nun in Kooperation mit der Diakonie Ruhr-Hellweg eine Postkartenaktion, um auf die zum Teil „unhaltbaren Zustände“ (Zitat aus dem Anschreiben) aufmerksam zu machen. Bis Mitte Januar können in den Kirchengemeinden und Einrichtungen wie Kindertagestätten Postkarten unterschrieben werden, mit denen vor allem gegen die mangelnde schulische Betreuung der Kinder demonstriert wird.

Diakonie-Pfarrerin Susanne Klose-Rudnick: „Kinder, die in einer ZUE leben, erhalten keinen regulären Schulunterricht. Sie werden erst mit der Zuweisung zu einer Kommune schulpflichtig.“ Das aber könne sechs und mehr Monate dauern. Der so genannte Schulersatzunterricht, der einen Umfang von zwanzig Wochenstunden haben soll, sei nicht ausreichend. Zumal die Praxis zeige, dass statt der zwanzig Stunden in der Regel nur zehn Stunden angeboten würde.

„Laut Artikel 28 der Kinderrechtskonvention der UNO“, so Klose-Rudnick, „haben alle Kinder ein Recht auf Bildung. Damit ist jedoch kein Ersatzangebot, sondern reguläre Schulpflicht gemeint. Schon vor und während der Flucht waren die Kinder von Bildung ausgeschlossen und nun verlieren sie auch hier kostbare Zeit, die für Integration und Lernen genutzt werden müsste.“

Ein weiterer Kritikpunkt der Postkartenaktion ist die Überbelegung der Einrichtungen. Das bedeutet, dass sich die Flüchtlinge, von denen viele schwer traumatisiert sind, meist mit sechs bis acht anderen Menschen – unterschiedlicher Kulturkreise, Sprachen und Religionen – ein Zimmer teilen müssen und keinerlei persönliche Privatsphäre oder Rückzugsmöglichkeiten haben. Klose-Rudnick: „Das ist skandalös!“

Eine letzte Forderung der Aktion sieht die Gleichbehandlung aller geflüchteten Menschen nach dem Vorbild der Aufnahme der ukrainischen Staatsbürger vor.

Für die Motive der Postkarten sind geflüchtete Kinder in den drei Einrichtungen im Kreis Soest gebeten worden, ein Bild zu malen und ihren größten Wunsch zu formulieren. „Warum darf ich hier nicht zur Schule gehen?“, fragt darauf etwa der 9jährige Omid. „Ich will endlich zur Schule gehen“, hat es Sonail (7 Jahre) formuliert.

Die Postkarten – es wurden 10.000 Stück gedruckt – werden von Kirchenkreis und Diakonie gesammelt und nach Beendigung der Aktion zeitnah den heimischen CDU-Landtagsabgeordneten Heinrich Frieling und Jörg Blöming übergeben. Die wiederum sollen sie an die zuständige Ministerin Josefine Paul (Grüne) weiterreichen.

„Es handelt sich bei dieser Aktion um keine offizielle Petition. Deshalb muss auch keine Adresse eingetragen werden. Die Postkarten müssen lediglich unterschrieben werden. Wir fordern die Ministerin nachdrücklich auf, sich für die Rechte von Geflüchteten in den ZUE und deren menschenwürdige Unterbringung einzusetzen sowie die aufgezeigten Missstände umgehend zu beheben“, formuliert die Diakoniepfarrerin das zentrale Anliegen.

Mitglieder vom Arbeitskreis Asyl aus Soest haben bereits im April am Rande der ZUE in Echtrop gegen die Ungleichbehandlung von Flüchtlingen demonstriert und gleiche Rechte für alle Flüchtlinge gefordert. Die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus und ihre persönliche Referentin Silke Niemeyer hörten ihnen aufmerksam zu. Fotos: Hans-Albert Limbrock