Appell für Demokratie und Freiheit

Erstellt am 12.11.2019

Von Frank Albrecht

Arnsberg/Meschede. Alle beteiligten Parteien haben für sich schon viel geübt – jetzt ist es die erste gemeinsame Probe, bei der die Sängerinnen und Sänger vom Oratorienchor Arnsberg sowie dem Projektchor des Evangelischen Kirchenkreises und die Schauspieler vom Teatron Theater aus Arnsberg etwas zusammen bringen wollen: Das Oratorium „A child of our time“ von Michael Tippett. Die bislang einzige Aufführung findet am Sonntag, 17. November, um 19 Uhr in der Mescheder Abtei Königsmünster statt.

Ein dreiviertel Jahr widmen sich die Chöre von Kirchenmusikdirektor Gerd Weimar bereits dem Oratorium des englischen Komponisten. Und aus dem Oratorienchor Arnsberg und dem Projektchor des Ev. Kirchenkreises wirken insgesamt 80 Sängerinnen und Sänger an dem Stück mit. Aus dem Ensemble des Arnsberger Teatron Theaters kommen sieben Schauspielerinnen und Schauspieler, die helfen, dieses Werk des Komponisten in einem außergewöhnlichen Rahmen darzustellen. „Wir haben noch nie mit einem Chor in einem Stück zusammen gearbeitet“, erzählt Ursula Almagor, Dramaturgin des Teatron Theaters.

Und genau diese Zusammenarbeit macht den Reiz des Stückes aus, das Michael Tippett von 1939 bis 1941 unter dem Eindruck des Zweiten Weltkrieges und dem mit ihm verbundenen Hass gegen einen Teil der Menschheit komponiert hat. Als eindringlichen Appell für Demokratie und Freiheit signalisiert es den Zuhörern die Ablehnung von Diskriminierung, Gewalt und letztendlich Krieg.

Das Teatron Theater nimmt diese Elemente aus dem Oratorium auf und erzählt in einzelnen Szenen zum Gesang der Chöre die Geschichte von Herschel Grynszpan. Der polnische Staatsbürger jüdischen Glaubens verübte am 8. November 1938 das Attentat gegen den deutschen Diplomaten Ernst von Rath, das von den Nationalsozialisten als Grund für die Angriffe auf Synagogen und jüdische Einrichtungen am 9. November genommen wurde.

„Wo steht die Kunst in ihrer gesellschaftlichen Verantwortung“, fragt der Dirigent vom 17. November 2019, Gerd Weimar. Statt leichter Unterhaltung wolle der Chor auch Position beziehen und sich auch im Sauerland zu aktuellen politischen Themen äußern. Die jüngsten Vorfälle in Chemnitz, Köthen und Halle zeigten in den Augen Weimars die Notwendigkeit des Handelns, vor allem weil die Orte austauschbar seien.

In der erzählten Geschichte sei mit Herschel Grynszpan 1938 ein Feindbild gesucht und gefunden worden. Für die politischen Botschaften des Konzertes hat sich Gerd Weimar Unterstützung gesucht. „Wir wollen als Künstler auf die Vorfälle in Deutschland reagieren“, schildert Dramaturgin Almagor. Ihr Ziel: Die Menschen sollen Zusammenhänge damaliger und aktueller Geschichte verstehen sowie eine Wiederholung der Ereignisse verhindern.

Für beide Seiten ist das Konzert eine große Herausforderung. Schon in der ersten Probe wurde immer wieder an der genauen Abstimmung zwischen Gesang und Schauspiel gefeilt – Regisseur Yehuda Almagor will eine Punktlandung der Szenen zum Gesang der Chöre. Die Verknüpfung von Chorgesang und Schauspiel gibt es nur in Meschede.

Der Chor bekommt dabei eine neue Rolle“, erklärt Gerd Weimar. Er singt und er spricht, schnelles Umschalten sei wichtig und präge die Wirkung der Aufführung. Und während die Schauspieler aus dem dunklen Winkel der Kirche bis vor das Publikum förmlich schleichen werden, rufen die Sänger im Chor „Geht weg! Geht weg!“.

Erst gibt es die vereinzelten Stimmen aus dem Chor in Richtung der Schauspieler, aber schnell werden es immer mehr. Es wirkt beklemmend, wie sich die Stimmen im Chor gegenseitig anstacheln, sich der Mob der Straße gegen die Juden erhebt. Immer wieder nehmen die Schauspieler auf ihrem Weg Kontakt zum Publikum auf, doch ihr Hilfeersuchen bleibt scheinbar vergebens. „Die Musik kommt mit großer Wirkung dazu und verstärkt die Spielszenen“, beschreibt die Dramaturgin. Ursula Almagor vom Teatron Theater sieht die Zusammenarbeit mit dem Chor als Riesenchance, die für die gesamte Dramatik der Geschichte eine gewaltige Dynamik bringt.

„Ich möchte, dass die Menschen berührt aus der Aufführung kommen“, sagt Dirigent Weimar deutlich, und anschließend für die Vernunft selber auf die Straße gehen. Das Stück wird diese Wendung zum Guten vorleben. Keine Frage, die erwartet 600 bis 700 Zuschauer und -hörer in der Abtei werden überrascht sein, wird das Singen doch oft mit Harmonie verbunden. Dass es auch noch anders geht, zeigt nun das Oratorium „A child of our time“ von Michael Tippett, das in dieser Form am 17. November seine Welturaufführung hat.

Hinweis:

Eintrittskarten gibt es nur im Vorverkauf in der Abteil Königsmünster sowie der Buchhandlung Sonja Vieth in Arnsberg (Steinweg). Kartenbestellung ist auch bei der Tourist-Info Meschede (ticketsdontospamme@gowaway.meschede.de), Tel. 0291 / 205-350, möglich.

 

Die rund 80 Sängerinnen und Sänger des Oratorienchors Arnsberg sowie des Projektchors des Ev. Kirchenkreises stellen sich am Sonntag, 17. November, der besonderen Herausforderung unter Leitung von KMD Gerd Weimar. Fotos: Frank Albrecht

Erstmals arbeitet das Teatron Theaer Arnsberg mit einem Chor in einer Aufführung zusammen. Dirigent Gerd Weimar und Ursula Almagor vom Theater stimmen sich intensiv ab.

Die Szenen für das Teatron Teater sind aus dem Oratorium von Michael Tippett eigens entwickelt worden. „A child of our time“ läuft am 17. November in der Abtei Königsmünster.