Vertrauen aufbauen und Experimente wagen

Erstellt am 22.11.2019

Von Kathrin Koppe-Bäumer

SOEST-ARNSBERG. Sechs Pfarrer, zwei Pfarrerinnen und eine Jugendreferentin aus Soest-Arnsberg besuchten vier Tage lang Gemeinden und Arbeitsbereiche im thüringischen  Apolda-Buttstädt. Den Besuchsplan hatte der frühere Pfarrer an der Soester Wiesenkirche, Hendrik Mattenklodt, zusammengestellt. Er ist seit vier Jahren der einzige Pfarrer der beiden Kirchspiele Neumark und Buttelstedt, die aus sieben Gemeinden in 12 Dörfern und mit 12 Kirchen bestehen. 

Von den Gemeinden im Osten wollte die Besuchsgruppe lernen, wie es ist, mit wenig aktiven Christen im weiten Raum als Kirche sichtbar lebendig zu bleiben und besonders auch Konfessionslose anzusprechen. Im Reisegepäck brachten sie Schmackhaftes aus dem Sauerland und von der Börde mit, weit geöffnete Ohren für vier Gesprächstermine vor Ort und Predigten, die sie am Sonntag in Gottesdiensten an drei Orten hielten.

Die Thüringer Kollegen gestalteten Kirchenmusik und Liturgie und die Gemeindeglieder freuten sich, in west-ost-deutscher Gemeinschaft zu feiern. Petra Englert, Diakonin und Leiterin der Jugendkirche Soest blickt zurück auf den Besuch: „Es war so schön zu erleben, dass Menschen trotz schwieriger Umstände uns daran teilhaben ließen, dass die Freude am Herrn ihre Stärke ist.“

„Wie eine Thüringer Wurst erstreckt sich der Kirchenkreis Apolda-Buttstätt nördlich von Weimar und Erfurt im Thüringer Becken“, führte Superintendent Dr. Gregor Heidbrink die Gäste ein. Hier trifft man auf Kirche im ländlichen Raum. Von den 70.000 Einwohnern sind knapp 20 Prozent evangelisch. Im Osten, wo Apolda und Bad Sulza liegen, gibt es volkskirchliche Strukturen mit 30 Prozent Evangelischen.

Hier gibt es eine gut funktionierende, an Musik und Katechese orientierte Kinder-und Jugendarbeit in vier Zentren der Region. In den Dörfern in der Mitte des Kirchenkreises sind nur 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung evangelisch. Von der Fläche her ist er so groß wie der ehemalige Kirchenkreis Arnsberg. Neben den Evangelischen leben hier 70 bis über 80 Prozent Konfessionslose. Katholiken gibt es selten: die Gemeindeglieder des katholischen Pfarrers in Weimar verteilen sich auf etwa 150 Orte.

Baulicher Mittelpunkt jeden Dorfes ist die Kirche, zwischen 600 und 200 Jahren alt, mit Liebe und Sachverstand restauriert und modernisiert oder aber dem Verfall nahe. Berühmte Orgeln gibt es darin. Orgelbauvereine werben kreativ um Sponsoren. In Rastenberg lagert in der Sakristei ein Whiskeyfass. Jetzt schon kann man 80 Euro einzahlen, um 2026, im Jubiläumsjahr der Kirche, eine Halbliterflasche Whiskey, acht Jahre lang gelagertes „Wasser des Lebens“, zu erwerben. 

Kirchenmitglieder und Dorfbewohner identifizieren sich über die Kirche mit dem Dorf.  Also muss die Kirche im Dorf bleiben. Finanziert werden Umbau und Restaurierung mit Spenden, Sponsoring, Mitteln aus kreis-und landeskirchlichen Struktur-und Baufonds oder durch den Verkauf eines Gemeindehauses, das hier Pfarrhaus heißt. Die Bauabschnitte ziehen sich oft über Jahre hin.

In den Pfarrhäusern befinden sich die Pfarrwohnung, das Gemeindebüro und weitere Gemeinderäume. In jedem ist ein Altar mit Kreuz und Altarbild aufgestellt für die Winterkirche in der kalten Jahreszeit. Wo ein Pfarrhaus verkauft wurde, müssen wie in Olbersleben Winterkirche und Gemeinderäume in die Kirche eingebaut werden.

Beim Kirche-Bauen geht es in Thüringen um die Gebäude und um die Gemeinde. „Wir sind für alle da“, sagt Pfarrer Andreas Simon, der zusammen mit seiner Frau die Pfarrstelle im Pfarrbereich Rastenberg innehat. Sie sind Seelsorger in acht Dörfern. 

Fast in jedem Dorf gibt es einen Kirchengemeinderat.  Ehrenamtliche müssen den Vorsitz übernehmen, da Pfarrerin oder Pfarrer nicht immer anwesend sein können.  Sie sind offen für Gespräche und Beratungen mit allen Dorfbewohner*innen. In „Querdenker“-Gruppen, die aus Gemeindegliedern und Konfessionslosen bestehen, beraten die Vogelsberger alles, was mit Renovierung, Um-oder Neubau der Kirche zusammenhängt.

Der Kirchengemeinderat nimmt Kontakt zu Architekten und zur Denkmalbehörde auf und bringt neue Erkenntnisse in den Querdenkerkreis ein. „Ich lasse mich ganz auf den Prozess ein", erklärte Pfarrerin Denise Scheel. „Es kann auch sein, dass wir am Ende scheitern.“ Eine große Hilfe ist ihr, dass sie und ihre Pfarr-Kollegen in der Region sich dreimal im Monat zur gegenseitigen Beratung treffen. Mit Hendrik Mattenklodt bietet sie in der Region einen Bibelkreis an. Die kollegiale Unterstützung tut gut, wenn Pfarrer oder Pfarrerin sich geistlich vereinsamt fühlen 

(Bericht wird fortgesetzt)

Besucher und Besuchte in der zum Umbau anstehenden Kirche in Vogelsberg . Fotos: Kathrin Koppe-Bäumer

Sammeltassen für einen Rokoko-Gottesdienst

Die Bienenkirche der Internationalen Bauausstellung wirkt sich auf die Gestaltung vor der und in der Kirche in Roldisleben aus: