Der Pfarrer als Netzwerker

Erstellt am 28.11.2019

Von Kathrin Koppe-Bäumer

SOEST-ARNSBERG. Teil2 des Berichts über eine Reise des Kirchenkreises nach Weimar:

Sich einstellen auf Menschen, die in sechs, acht oder zwölf Dörfern leben, zwingt die Hauptamtlichen, sich vor Überforderung zu schützen. „Nie soll es über unsere Kräfte gehen“, lautet eine von Andreas Simons Devisen. Hendrik Mattenklodt erzählt: „Wenn ein Kirchengemeinderatsmitglied sagt: ‚Machen Sie das oder das‘,  „dann sage ich: ,Wenn Sie zwei Ehrenamtliche finden, die mitmachen, bin ich dabei.‘“

Dieser Strategie folgend hat er mit Eltern, Vereinsmitgliedern und Bürgermeistern der 12 Dörfer vor drei Jahren ein Projekt gestartet: Der „Pilgerweg durch das 12-Kirchenland“ macht im Laufe des Kirchenjahres Angebote für Kinder und Familien an unterschiedlichen Orten. „Wo z.B.  Martinsfeste stattfinden, kommen wir als Kirche dazu.  Wir knüpfen an bestehende Angebote an: pilgern auf dem Napoleonweg in Berlstedt, laden zum Kirchen-Kino in Thalborn ein oder feiern mit den Kindern aus dem Religionsunterricht Schuleingangsgottesdienste in Buttelstedt und Berlstedt. Menschen aus der ganzen Region lassen sich dazu einladen. Angebote werden nur gemacht, wenn zwei Menschen sich bereit erklären, die Vorbereitung zu übernehmen.“

 Der Pfarrer ist im Prozess dabei: als Moderator, Ideensucher und -finder und als Theologe, der  die geistliche Dimension des Ereignisses in einer Sprache ausdrückt, die auch die Herzen erreicht.

„Wir müssen herausfinden, was die Dörfer brauchen“, beschreibt Pfarrer Andreas Simon die pastorale Aufgabe. Die Menschen in einem Ort brauchen Gottesdienste, im anderen Dorf bauen sie zusammen mit der Internationalen Bau-Ausstellung eine Bienenkirche auf. Wieder andere suchen geistliche Angebote,  andere wollen sich handwerklich betätigen und wiederum andere legen ihren Gemeindekreis mit dem Kreis des Heimatvereins zusammen und fühlen sich in dieser neuen Gruppe zu Hause. Wegbereiter dafür war der Pfarrer, der die Gruppe im Heimatverein besuchte. 

Die Pfarrer und Pfarrerinnen nehmen als Netzwerker Kontakt zu Kommunalpolitikern und ortsansässigen Vereinen auf, feiern Feste mit, unterstützen die Organisatoren und erleben als Antwort Interesse an den kirchlichen Aktivitäten.

„Es ist ja gar nicht so schlimm, im Gottesdienst dabei zu sein“, stellen Konfessionslose fest, die bei kirchlichen Aktionen mitmachen, weil ihre evangelischen Lebenspartner, Nachbarn  oder Freunde sie eingeladen haben. So hat sich in Neumark-Buttelstedt aus den Partnern der aktiven Frauen ein Singkreis für Männer entwickelt. Die meisten sind konfessionslos, sie proben aber in der Kirche und haben unter dem Namen „12 Zylinder“  inzwischen schon eine Trauung musikalisch gestaltet.

Die Sänger treten tatsächlich mit Zylindern auf dem Kopf auf. Alle wurden von Einwohnern gespendet, nachdem der Pfarrer in einem Zeitungsartikel darum gebeten hatte. Bei der ersten Probe stellten einige Sänger ihr Bierglas auf dem Altar ab. Mattenklodt nutzte die Gelegenheit und erzählte, was der Altar in der Kirche bedeutet. Seitdem bleibt der Bierkasten respektvoll im Vorraum stehen.

Bei dieser Offenheit für alle geht es darum, ganz unten anzufangen, Kontakte zu knüpfen mit Kindern, jungen Erwachsenen und Alten. Haupt-und Ehrenamtliche wollen Neues ausprobieren, um die Kirche mit Leben zu füllen, dabei Experimente wagen und Scheitern riskieren. Auf Zuspruch stießen Pfarrrein Denise Scheel und ihr Team, als sie in der renovierten St. Georgskirche in Großneuhausen einen Rokoko-Gottesdienst feiern wollten: Viele Menschen aus dem Umfeld stifteten vergoldete Sammeltassen, mit denen in der Kirche eine Rokokotafel gedeckt wurde. Kircheneintritte und Taufen nehmen durch solche Aktionen nicht schlagartig zu, aber Kirche wird von vielen wahrgenommen als vertrauenswürdige Partnerin.

(wird fortgesetzt)

Mit vielen Anregungen und Eindrücken ist die Gruppe aus dem Kirchenkreis Soest-Arnsberg nach dem Besuch in Thüringen nach Westfalen zurückgekehrt. Foto: Kathrin Koppe-Bäumer