Nahostkonflikt hautnah im Schulunterricht

Erstellt am 06.12.2019

Von Martina Schaub

LIPPSTADT. Mehr als 80 Schülerinnen und Schüler des Stift Cappel -Berufskollegs erlebten die Umstände des Nahostkonflikts sehr plastisch in Form eines 90- minütigen Zeitzeugengesprächs mit der palästinensischen Christin Faten Murkaker aus Beit-Jala im Westjordanland. Mit Unterstützung der Erwachsenenbildung im Kirchenkreis Soest-Arnsberg konnte Schulleiterin Martina Schaub den Gast aus der Nähe von Bethlehem am Stift Cappel begrüßen.

Schon seit einigen Tagen waren die Schüler im Politikunterricht von den Fachlehrerinnen Catherine Eggert und Martina Schaub auf diesen Besuch durch Hintergrundinformationen über die Wurzeln des Nahostkonflikts zwischen Israelis und Palästinensern, über den Zionismus, die Rolle der britische Regierung nach 1917 zur Schaffung einer jüdischen Heimstätte in Palästina für das jüdische Volk, die Ausrufung des Staates Israel, dessen Besatzungspolitik  sowie zum aktuellen Stand des Nahostkonflikts und die palästinensische Freiheitsbewegung vorbereitet worden.

Um sich gut in das Gespräch einbringen zu können, hatten sich die einzelnen Lerngruppen konkrete Fragestellungen zur Person von Frau Mukarker, ihren Lebenslauf und die historische und aktuelle Situation des Nahostkonflikts überlegt. Die Veranstaltung wurde eingeleitet durch zwei Schüler des Beruflichen Gymnasiums für Gesundheit, Amina Oumlile und Ayhan Köseoglu, die Mukarker  kurz die Bildungsmöglichkeiten am Stift Cappel-Berufskolleg vorstellten

Faten Mukarker berichtete dann über ihre Jugendzeit, die sie in Deutschland als Gastarbeiterkind aus Palästina verbrachte. Eindringlich schilderte sie die Zwiespältigkeit ihrer Existenz in der Familie als palästinensisch-arabische Jugendliche, die sich dem kulturellen Selbstverständnis der arabischen Riten zu unterwerfen hatte und gleichzeitig ein „deutsches Schulkind“ zu sein, mit all den Privilegien und Freiheiten, die im deutschen Staat unter demokratischen Möglichkeiten gegeben waren.

„Meine freiheitliche Welt eines deutschen Teenagermädchens endeten immer an der Haustür zur Wohnung meiner Eltern, in der das arabische Leben mit arabischer Sprache und all den Regeln für  arabische Mädchen stattfand“, so Mukarker. Mit 18 Jahren wurde sie auf Veranlassung ihrer Eltern nach Bethlehem zurückgeschickt und umgehend mit einem palästinensischen Christen verheiratet.

Über diese, für Deutsche ungewöhnliche Anbahnungspraxis einer Ehe erläuterte sie gegenüber Martina Schaub, die die Moderation des Zeitzeugengesprächs übernommen hatte, ihre Sichtweise der Situation, bevor sie auf die konkreten Fragestellungen der Schüler zur Alltagssituation im Westjordanland, ihre Kontakte zu palästinensischen Arabern im Gazastreifen und ihren persönlichen Umgang mit Juden in Israel generell und jüdischen Siedlern einging.

Besonders schwer geprägt hat sie das Leben hinter Mauern. „Die Israelis haben um unsere Gebiete herum lange Mauern gezogen. Ich lebe im Westjordanland, was von einer 600 Kilometer langen Mauer umgeben ist. Außerdem siedeln sich hier jüdische Siedler auf unserem palästinensischen Gebiet an, was unserer Bevölkerung weggenommen und enteignet wird. Diese besiedelten Gebiete sehen wir direkt vor uns, dürfen sie nicht mehr betreten und wenn wir es doch tun, wird auf uns geschossen“,  beschreibt Mukarker.

Sie stellte gegenüber den Schülern die rhetorische Frage, wie sie sich wohl fühlen würden, wenn ihre Bewegungsfreiheit so eingeengt würde. Außerdem schilderte sie die schwierige Situation an den vielen von den Israelis eingerichteten und mit starker Waffenpräsenz durch israelische Soldaten bewachten Checkpoints, die die palästinensischen Bürger beim Verlassen ihrer Territorien zu durchschreiten und oftmals mit langen Wartezeiten und unhöflichem und rüdem Umgang durch die israelischen Besatzer zu erdulden hätten.

Ihr ist es wichtig zu sagen, dass es auf beiden Seiten der Mauer Menschen gibt, die an einen gerechten Frieden zwischen Israelis und Palästinensern glauben. Damit beide Völker wieder zu einem friedlichen Nebeneinander oder sogar zu einem echten Miteinander finden, müssten aber auch die lebenswichtigen Ressourcen, wie z.B. das Wasser, gerecht geteilt werden. Im Augenblick gäbe es nur an bestimmten Tagen Trinkwasserzuleitungen in die palästinensischen Gebiete, was ungerecht und menschenverachtend sei.

Die Schüler hakten nach, ob es schon einmal vielversprechende Versöhnungsmöglichkeiten gegeben hätte. Fatem Mukarker bejahte dies und schilderte ihre Hoffnungen, die sie in den 1990er Jahren auf die Vermittlung des amerikanischer Präsident Bill Clinton gesetzt  hätte, der den damaligen Palästinenserpräsident Jassir Arafat und den jüdischen Premierminister Izhac Rabin an einen runden Tisch gebracht hätte. Diese hoffnungsvollen Friedens- und Teilungsgespräche seien jedoch mit der Ermordung des israelischen Hoffnungsträgers Rabin durch einen jüdischen Studenten zunichte gemacht worden.

„Heute unter Präsident Netanjahu und mit der seltsamen Politik des amerikanischen Präsidenten Trump sind wir weiter von einer friedlichen Lösung unseres Konflikts entfernt als jemals zuvor“, so die niederschmetternde Antwort von Faten Mukarker. Sie erklärte am Ende der von den Schülern als wahnsinnig spannend empfundenen zwei Unterrichtsstunden, dass sie und ihre Landsleute sich nichts sehnlicher wünschen als ohne Angst, frei und selbstbestimmt in einem eigenen lebensfähigen Staat neben dem Staat Israel leben wollten. Dazu würde man aber nur kommen, wenn die Vereinten Nationen, die Europäische Union oder auch das freiheitsliebende Deutschland als Außenstehende sich stärker in den Konflikt und seine Lösung einbringen würden.

Faten Mukarker rechts im Bild neben Moderatorin Martina Schaub, stand Rede und Antwort.

Gespannte Zuhöreratmosphäre unter den Schüler.