Lebendige Zeitgeschichte

Erstellt am 18.02.2020

WESLARN. Am Dienstag, 25. Februar, um 19 Uhr wird im Gemeindehaus Weslarn ein Buch vorgestellt, das die Geschichte der Kirchengemeinde wieder lebendig werden lässt. Hierzu sind alle Interessierten herzlich eingeladen. Die Veranstalter freuen sich über regen Besuch.

Prof. Dr. Renate Prochno-Schinkel hat sich mit dem „Tauf- und Trauregister der evangelischen Kirchengemeinde Weslarn 1654 bis 1716“ und dies sozialgeschichtlich ausgewertet. Ihr  301 Seiten umfassendes Werk ist im Münsteraner Aschendorff-Verlag erschienen.

Das älteste Tauf- und Trauregister der evangelischen Kirchengemeinde Weslarn für die Zeit von 1654 bis 1716 ist eines der frühesten Kirchenregister in Westfalen. Familien aus Weslarn, Sieningsen und Brockhausen, die im Register genannt sind, leben noch heute hier. Renate Prochno-Schinkel hat es in mehrjähriger Arbeit in heutige Schrift übertragen und damit erstmals für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

„Das Weslarner Tauf- und Trauregister ist ein einzigartiges Dokument sowohl für die kulturhistorische Regionalforschung als auch für die Spurensuche zur Familien-, Kirchen- und Heimatgeschichte. Es bringt uns eine ferne Vergangenheit überraschend nahe“, fasst die Autorin ihre wissenschaftliche Auswertung zusammen.

Die Taufeinträge nennen den Vater des Kindes, das Kind selbst, und die drei Paten. Mütter erscheinen nur, wenn ihr Kind unehelich war. Diese Namenslisten und die Einträge zu Eheschließungen lassen die Geschichte der Kirchengemeinde und sogar der Region wieder lebendig werden.

Sie beantworten viele Fragen, z.B.: Welche Familien verbanden sich durch Heirat und durch Übernahme von Patenschaften? Was waren die Gründe für solche Allianzen? Welche Familien vermieden Bindungen miteinander? Es war eben nicht „jeder mit jedem“ verwandt. Heiratete man vor allem innerhalb des eigenen Dorfes, oder gab es Zuzug? Wer heiratete nach auswärts? In welchem Alter heiratete man? Wie stand es um die unehelichen Kinder und ihre Mütter; führte eine Schwangerschaft auch zur Eheschließung? Was geschah bei Nottaufen? Welche Vornamen waren im Laufe der Zeit beliebt, welche wurden nur selten vergeben? Wer bestimmte die Vornamen und ihre Anzahl? Wie wurden Hochzeiten und Taufen gefeiert?

Renate Prochno-Schinkel hat das Weslarner Tauf- und Trauregister historisch-soziologisch ausgewertet. Es lassen sich über die rund sechzig dokumentierten Jahre hinweg Grundzüge der Heirats- und Familienpolitik sowie der Patenwahl erkennen. Ebenso lassen sich einzelne Familien, ihre Beziehungsgeflechte und ihr Schicksal rekonstruieren. Auch die Pfarrer, Küster und Lehrer werden als handelnde Personen erkennbar. Selbst die Lücken im Taufbuch erzählen, z.B. von der langen Krankheit eines Pfarrers oder von Kriegszeiten.

Die Historische Kommission für Westfalen beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe hat die Veröffentlichung in ihre wissenschaftliche Schriftenreihe aufgenommen.

Prof. Renate Prochno-Schinkel: „Das Weslarner Tauf- und Trauregister ist ein einzigartiges Dokument.“ Foto: Ralph Frieling

Das Weslarner Tauf- und Trauregister macht Kirchengeschichte nach vielen Jahrhunderten wieder lebendig.