Corona überstrahlt wichtige Diskussionen

Erstellt am 17.04.2020

Von Hans-Albert Limbrock

SOEST. Corona – schon jetzt das (Un)Wort des Jahres. Und ein Wort, das die Schlagzeilen dominiert wie wohl keines zuvor. Dabei geraten zunehmend allerdings andere, nicht minder wichtige Themen ins Hintertreffen. Die Flüchtlingskrise etwa und die Dramen, die sich aktuell in den Flüchtlingslagern in Griechenland, der Türkei und anderswo auf der Welt abspielen.

Auch die Brände der Wälder in und um Tschernobyl herum sind so ein Thema. „Es ist unfassbar, was dort wieder passiert und was dort an Radioaktivität freigesetzt wird“, sagt Dr. Benno Dalhoff, seines Zeichens ehemaliger Lehrer, Künstler, Naturwissenschaftler, vor allem aber einer jener Aktivisten, die jahrelang zusammen mit Ute Plath (Bad Sassendorf) und anderen Mitstreitern aus dem Evangelischen Kirchenkreis mit einer Aktionswoche die Erinnerung an das Unglück in Tschernobyl und den daraus heute noch resultierenden Folgen wachgehalten haben.

Am Sonntag, 26. April, jährt sich der Brand im Reaktorblock 4 des Kernkraftwerks Tschernobyl im Jahre 1986 einmal mehr. Vermutlich wird es nicht viel mehr als eine Randnotiz in den Medien sein. Zumal die Brände laut Angaben der ukrainischen Regierung inzwischen gelöscht sind.

Dalhoff gehört aber auch zu jenen, die frühzeitig davor gewarnt haben, dass nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima (Japan) vor neun Jahren in diesem Jahr Olympische Spiele in Japan stattfinden. Die sind vor dem Hintergrund der Corona-Krise zwar inzwischen abgesagt. „Aber“, so Dalhoff, „an der dort herrschenden Problematik wird sich bis nächstes Jahr nichts ändern.“

Dalhoff wirft der japanischen Regierung in diesem Zusammenhang vor, gegen international geltende Strahlenschutzregeln zu verstoßen. Vor allem Kinder und Schwangere seien akut gefährdet: „Die Regierung hat kurzerhand die Grenzwerte drastisch erhöht, um die Rückkehr der Strahlenflüchtlinge in die angeblich dekontaminierten Gebiete zu erzwingen.“

Seit seiner Ausstellung im Schiefen Turm im Jahr 2016 arbeitet Dalhoff nicht nur mit Anatolij Ligun, dem Liquidator aus Tschernobyl eng zusammen, sondern auch mit mehreren Japanerinnen aus Fukushima: „Diese berichten mir, dass aus den mittlerweile maroden schwarzen Säcken, in denen kontaminierter Boden und Bauschutt abgefüllt wurde, stark radioaktives Material rieselt und nun ohne irgendwelche Vorsichtsmaßnahmen weiterstrahlt.“

Dalhoff hat seine Kritik, seine Ängste, seine Sorgen im Zusammenhang mit den beiden Katastrophen in Japan und der Ukraine  immer wieder auch künstlerisch verarbeitet und sie in verschiedenen Zyklen seines künstlerischen Schaffens dargestellt. In „Die Schmetterlinge von Fukushima“ oder „Der Strich der Natur ist zerbrochen“ hat er eindrucksvoll seine tiefe Emotionalität, mit der er dieses Thema begleitet, festgehalten.

Dr. Benno Dalhoff fürchtet, dass durch die Corona-Diskussion jede Kritik am Austragungsort der kommenden Olympischen Spiele komplett untergeht: „9 Jahre nach dem Super-Gau von Fukushima scheint das Problem einer möglichen Kontamination der jugendlichen Sportler und der Millionen Zuschauer vom Coronavirus komplett überlagert und ausgeblendet zu werden.“

Schuld daran trage auch der Deutsche IOC-Vorsitzende Thomas Bach: „Mit keinem Wort wird die große Gefahr erwähnt, die für Sportler und Zuschauer in einem weitgehend verstrahlten Land besteht. Sportler und Zuschauer aus aller Welt sollen ohne Skrupel auf dem Altar der Kapital-Mafia geopfert werden“, kritisiert der Künstler aus Soest und fordert: „Diese Olympischen Spiele dürfen wegen der nach wie vor herrschenden Strahlenbelastung und der damit verbundenen Gefahren eines Aufenthalts in Japan nicht stattfinden – auch nicht im nächsten Jahr.“

Ute Plath und Benno Dalhoff engagieren sich seit vielen Jahren gemeinsam im Evangelischen Kirchenkreis, um die Erinnerung an die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl wachzuhalten. Jetzt setzen sie sich dafür ein, dass es keine Wettbewerbe bei den Olympischen Spielen im verstrahlten Fukushima gibt. Foto: Hans-Albert Limbrock