Trauriger Jahrestag

Erstellt am 23.04.2020

LIPPSTADT - Trauriger Jahrestag: Vor sieben Jahren am 24. April stürzte in Bang-ladesch die Textilfabrik Rana Plaza ein, 1.135 Menschen starben. Heute zeigt die Corona-Krise dramatische Zustände am Anfang der Lieferketten.

Globale Lieferketten beginnen oft in Ländern des Globalen Südens. Das schwächste Glied in der Kette sind dabei häufig die Kleinbäuerinnen und Kleinbauern und die Arbeiter*innen.

2013 lenkte das Unglück in der Textilfabrik Rana Plaza die Aufmerksamkeit der Verbraucher*innen auf die katastrophalen Produktionsbedingungen unserer Kleidung wie unterdurchschnittliche Löhne, zu lange Arbeitstage, ungeschützter Umgang mit Chemikalien, fehlender Brandschutz und löste damit weltweit Entsetzen aus.

Der Druck der Öffentlichkeit führte dazu, dass viele der betroffenen Unternehmen Geld in einen Entschädigungsfond einzahlten und bereit waren, arbeitsrechtliche Standards in den Produktionsketten besser zu kontrollieren, so dass heute alle Be-sitzer von Textilwerkstätten in Bangladesch verpflichtet sind, bestimmte Sicherheits- und Gesund-heitsstandards einzuhalten. Dennoch haben sich solche positiven Entwicklungen nicht global durchgesetzt.

Die durch die Verbesserung der Arbeitsbedingungen gestiegenen Produktionskosten führten dazu, dass Firmen abwanderten in Länder, wo die Produktionskosten möglichst niedrig sind wie zum Beispiel in afrikanischen oder auch in osteuropäischen Ländern. Die dortigen Mindestlöhne in der Textilindustrie decken bei weitem nicht den geschätzten Basis-Existenzlohn ab und die Arbeitsbedingungen sind oft mangelhaft. Diese Erfahrung zeigt, dass höhere Standards in den Ar-beitsbedingungen in einzelnen Ländern nur zu einer Verlagerung der Probleme führen. In einer glo-balisierten Welt bedarf es gleicher Standards zum Schutz von Menschen und Umwelt!

Nun trifft die Covid-19-Pandemie die Menschen am Anfang der Lieferkette mit voller Wucht. Ge-rade in den Ländern, die viel nach Europa und in die USA exportieren, sind die Folgen der Krise fatal.

So zeigt ein Bericht des Südwind-Instituts: Viele Fabriken aus der verarbeitenden Industrie müssen schließen. Die Preise von Rohstoffen und landwirtschaftlichen Produkten sinken rasant. Besonders in der Textilbranche haben Zulieferer in Südostasien zum einem mit stornierten Lieferaufträgen zu kämpfen. Zum anderen nehmen Auftraggeber in vielen Fällen die bereits fertiggestellte Ware nicht mehr ab. Die Zulieferer bleiben so auf den Produktionskosten sitzen. Aufgrund des Preisdrucks in der Branche war es für viele Textil-Zulieferer in der Vergangenheit unmöglich, Rücklagen aufzu-bauen. In der Krise können sie nun die Näher*innen nicht weiterbezahlen, auch nicht anteilig.

Human Rights Watch berichtet, dass sich Textilunternehmen kaum an Lohnfortzahlungen oder Ab-findungen für Arbeiter*innen aus den Textilfabriken beteiligen. Viele Arbeiter*innen stürzt das in die Existenznot. Allein in Bangladesch sind bereits über eine Million Arbeiter*innen entlassen wor-den. Laut Humans Rights Watch widerspricht dieses Verhalten der Textilunternehmen den men-schenrechtlichen Sorgfaltspflichten, wie sie die Vereinten Nationen definiert haben.

So liegt es in der Verantwortung der Unternehmen, menschenrechtliche Risiken zu identifizieren, Gegenmaß-nahmen einzuführen und umzusetzen. Unternehmen, die Aufträge ersatzlos stornieren und bereits produzierte Ware nicht bezahlen, setzen sich nicht mit Risiken auseinander, sondern lassen ihre Zulieferer im Stich.

Auch im Kakaosektor sind die Auswirkungen von Covid-19 bereits deutlich spürbar. Der Kakao-preis ist seit Beginn der Krise bereits um fast 30 Prozent gesunken ist.  Rund 70 Prozent der welt-weiten Kakaoernte kommen aus Westafrika. Das hat für Kleinbäuerinnen und Kleinbauern fatale Konsequenzen. Laut Südwind-Institut trifft der Preisverfall die Länder Ghana und Côte d’Ivoire am härtesten. Der drastische Preisverfall treibt viele Kleinbäuerinnen und –bauern in die Armut.

In Europa erhalten viele Menschen in Krisenzeiten staatliche Unterstützung – in vielen Ländern des Globalen Südens gibt es oft keinerlei soziale Absicherung. Die Beispiele zeigen, wie wichtig es ist, in dieser Krise zusammenzurücken und solidarisch miteinander zu sein – und dabei den Blick auch über den eigenen Tellerrand hinaus zu richten. Diese globale Krise können wir nur gemeinsam meistern. Dazu gehört auch, dass Unternehmen entlang ihrer gesamten Lieferkette in angemessener Weise Verantwortung übernehmen müssen – auch für Menschen im globalen Süden

Es reicht nicht aus, dass sich einige Unternehmen freiwillig um die Achtung der Menschenrechte in ihren Lieferketten bemühen. Es braucht gesetzliche Vorgaben, die von allen Unternehmen umgesetzt werden müssen. Die Forderung nach einem Lieferkettengesetz ist aktueller denn je.

Weitere Informationen finden sich unter: https://lieferkettengesetz.de/ Dort kann auch die online-Petition unterschrieben werden.