Chorprobe vor dem Bildschirm

Erstellt am 10.07.2020

Von Frank Albrecht

ARNSBERG - Wöchentlich kommen neue Beschlüsse, die Lockerungen in den Corona-Bestimmungen verkünden. Den heimischen Chören bringen sie aber nur wenig. Auch weiterhin gilt, dass gemeinsames Singen in geschlossenen Räumen trotz Einhaltung strengster Auflagen kaum möglich ist. Darunter leiden nicht nur die inzwischen wieder möglichen Gottesdienste, die vielfach mit Solosängerinnen und -sängern arbeiten: Für die kirchlichen Gesangsgemeinschaften ist es ebenso schwierig.

Kirchenmusikdirektor Gerd Weimar aus Arnsberg hat sich schlau gemacht: Zehn Quadratmeter pro Sängerin oder Sänger sind derzeit die Vorgabe, und bei der Aufstellung sei ein Abstand von drei Metern zu jeder Seite und von aktuell vier Metern zur vorderen Reihe einzuhalten. Für einen Chor mit einer durchschnittlichen Anzahl von zwanzig singenden Mitgliedern räumlich kaum einzuhalten.

Für die Chöre gibt es allgemein viele Einschränkungen hinzunehmen, die vor Chorproben, Gemeinschaftsveranstaltungen und Chorkonzerten nicht halt machen. „Wir haben schon auf ein Konzert verzichtet, das open air vor dem Schloss Höllinghofen stattfinden sollte“, sagt Weimar. Seine Hoffnung: Das Musical „König Drosselbart“ kann später nachgeholt werden. Für die 20 Kinder aus der Spatzengruppe des einst evangelischen Chorprojektes „Vocal Total“ sowie weitere junge Sänger von der Johannesschule und dem Mariengymnasium gibt es schon seit Mitte März keine gemeinsamen Chorproben mehr. Insgesamt seien allein davon 70 Kinder betroffen.

 

„Das ist kein Ersatz, aber eine Brücke, bis das gemeinsame Singen wieder möglich ist!“ – Gerd Weimar, Kirchenmusikdirektor und Chorleiter

 Beim Oratorienchor des städtischen Musikvereins Arnsberg sowie dem Projektchor des Kirchenkreises Soest-Arnsberg liegen die Proben in gewohntem Umfang ebenfalls seit Wochen auf Eis. „Rund 85 Erwachsene hätten sich zu normalen Zeiten zu den wöchentlichen Proben getroffen“, rechnet der Dirigent und Chorleiter vor. Das gemeinsame Singen ist die eine Seite, das gemeinsame Erleben in der Gruppe die andere.

„Wir dürfen den Vorschriften nach nicht mal mit mehr als zehn Personen unterwegs sein“, erklärt Weimar. Ausflüge, gesellige Treffen oder Wanderungen mit dem ganzen Chor – derzeit einfach undenkbar. Und dabei lebten die Chöre die Gemeinschaft, Proben seien ein wichtiger Ausgleich zum Alltagsstress, das Zusammenkommen danach erfülle bedeutende soziale Zwecke, weiß der Chorleiter. „Der Verzicht auf das gemeinsame Singen ist altersübergreifend“, so Gerd Weimar, aber vor allem für Kinder derzeit ein großer Einschnitt. Bei gerade vielen älteren Menschen in den Chören müsse die Gesundheit aber im Vordergrund stehen.

„Wir können aber nicht auf den Tag X warten“, erklärt der Musikfachmann, weshalb man nach Lösungen gesucht und einige gefunden habe. Das Singen vor dem Computer- oder Handybildschirm sei eine davon. Schon seit dem Ende der Osterferien habe man sich virtuell wieder gemeinsam zu Chorproben vor dem Bildschirm verabredet. Dabei, so Weimar, spiele auch die erlebbare Gemeinschaft der Chöre wieder eine große Rolle.

Nicht nur wegen der Freude des Wiedersehens anderer Chormitglieder habe es viele positive Rückmeldungen gegeben. Und auch wenn noch nicht alle Mitglieder in das virtuelle Probentraining eingestiegen seien – zur Aufrechterhaltung der Chorgemeinschaft habe es bereits große Dienste erwiesen. Alle seien sich bewusst, dass die „normale“ Chorprobe so nicht zu ersetzen sei und allein die Technik des Systems der Durchführung der digitalen Proben ihre Grenzen setze: Aber wenigstens Stimmbildung und Atemübungen für die beteiligten Sängerinnen und Sänger ließen sich so trainieren.

Das Klavierspiel gebe es zudem noch als harmonische Unterstützung. „Jeder übt für sich, die Kommunikation läuft eben nur in eine Richtung und die direkten Rückmeldungen vom Chorleiter bleiben aus“, beschreibt Weimar. Beim Online-Singen könnten die einzelnen Stimmgruppen (Alt, Sopran, Bass und Tenor) so aber weiter geschult werden.

Per Video-Chat würden dann Hinweise an die Chormitglieder bezüglich der Atmung oder Aussprache der Konsonanten weiter gegeben. Alles sei besser als nichts zu tun. „Wir müssen irgendwann aber auch wieder zusammen singen, sonst stirbt das Chorsingen“, gibt Gerd Weimar zu bedenken. Bis dahin bleibe aber die Freude auf die erwarteten Veranstaltungen und Konzerte im kommenden Jahr und der rege Austausch mit anderen Chorleitern und ihren Erfahrungen. So lange, bis auch hier wieder „Normalität“ eingekehrt ist.

Chorleiter Gerd Weimar hat die Proben mit seinen Sängerinnen und Sängern derzeit auf Online-Proben umgestellt. So zu singen sei besser als gar nicht zu singen.

Oratorienchor Arnsberg und Projektchor des Ev. Kirchenkreises probten für das zuletzt aufgeführte große Werk „Tippet – A child of our time“ in der Abtei Königsmünster: Diese Nähe ist angesichts der Corona-Bestimmungen derzeit kaum denkbar. Fotos: Frank Albrecht