Mit Romantik hat das nichts zu tun

Erstellt am 27.08.2020

Von Hans-Albert Limbrock

ENSE/BREMEN – Nach einer halben Stunde spricht Williams Köllner Klartext: „Das hier“, sagt er und zeigt mit einer weit ausholenden Bewegung auf die Fahrzeuge und Wohnwagen, „das hier, das hat mit Zirkusromantik nichts mehr zu tun. Für uns geht es nur noch ums Überleben. Nicht mehr und nicht weniger.“

Seit März ist der Zirkuschef mit seinem Familienzirkus „Manjana“ in Ense-Bremen gestrandet. Statt Clownerie und atemberaubende Artistik steht seitdem Corona auf dem Spielplan. „Die Lage ist dramatisch“, so Köllner, „wenn wir nicht spielen können, haben wir keine Einnahmen. Und wenn wir keine Einnahmen haben, ist unsere Existenz bedroht. Unterstützung aus irgendwelchen staatlichen Corona-Fonds oder Hilfspakete, wie sie viele in unserem Land bekommen, gibt es für uns nicht. Wir sind echte Corona-Verlierer.“

Zwölf Kinder im Alter von 3 bis 23 Jahre gehören zum „Manjana“. In guten Zeiten stehen sie zweimal pro Tag in der Manege. Köllner: „Die Einnahmen aus diesen Auftritten reichen uns normalerweise. Wir führen ein bescheidenes Leben. Von uns war noch nie jemand im Urlaub.“ Alles Geld, was sie einnehmen, fließt zurück in den Zirkus. Davon werden Kostüme, Zubehör, Wohnwagen und das Zelt finanziert. Hinzu kommen Versicherungen und die üblichen Abgaben wie Strom, Wasser, Steuern. Der Fuhrpark, mit dem die schweren Wagen gezogen werden, ist geleast. Und leben muss die Familie ja auch – irgendwie.

„Reich kann man bei uns nicht werden“, sagt Köllner. „Aber wir lieben dieses Leben. Wir können uns gar nichts anderes vorstellen.“ Den Zirkus gibt es bereits in der 7. Generation, er war einst Teil der berühmten Williams-Zirkus-Dynastie.

Auch ohne Corona war das Leben für Williams Köllner und seine bunte Rasselbande alles andere als ein Zuckerschlecken: „Es wird immer schwieriger für uns. Es gibt kaum noch Kommunen, die uns spielen lassen. Irgendwie bekommt man das Gefühl, dass Zirkus nicht mehr in die Zeit passt. Aber das stimmt nicht. Wer unsere Vorstellungen besucht, wird bestätigen, welch großartige Unterhaltung wir bieten. Wir sind ein wichtiges Stück Kultur.“

In der Gemeinde Ense-Bremen haben sie breite Unterstützung gefunden. Die Verwaltung erlaubt ihnen, vorläufig auf dem Platz am Schulzentrum  zu bleiben. Köllner: „Um unsere Fahrzeuge zu betanken und den Platz hier zu verlassen, fehlt uns das Geld. Und wo sollen wir auch hin? Es wird ja nirgendwo großartig anders sein.“

Zweimal sind sie schon in Seniorenheimen aufgetreten. Das hat ein bisschen Kleingeld gebracht. Hin und wieder kommen auch Enser Bürger vorbei und stecken ihnen einen Schein zu. Die evangelische Pfarrerin Leona Holler aus Soest hat ein wenig Diakonie-Geld locker gemacht: „Aber das reicht natürlich nicht aus“, weiß sie selber. „Deshalb überlegen wir in Bad Sassendorf weiter, wie wir diesen armen Menschen helfen können.“

Jeder noch so kleine Auftritt, für den „Manjana“ engagiert wird, ist ein kleines Stückchen Hilfe. „Wir treten überall auf – in Seniorenheimen, Schulen, Kindergärten oder Firmen“, hofft Williams Köllner auf weitere Engagements. Wer dem Zirkus helfen will, sei es durch finanzielle Zuwendungen oder durch Auftrittsangebote, kann dies direkt unter 0152/37754093 tun.

 

Zirkuschef Williams Köllner ist verzweifelt und weiß nicht, wie es mit seinem Familienzirkus weitergehen soll.