Die europäischen Werte sterben im Mittelmeer

Erstellt am 18.09.2020

SOEST - Am 15. August ist mit der „Sea-Watch 4“ ein weiteres Schiff in See gestochen, das das Ziel verfolgt, Flüchtlinge vor dem Ertrinkungstod im Mittelmeer zu retten. Die Idee zu diesem Rettungsschiff war im Sommer letzten Jahres beim Evangelischem Kirchentag in Dortmund entstanden. Die Sea Watch 4 ist damit das erste Schiff, das maßgeblich von der Evangelischen Kirche und weiteren zivilgesellschaftlichen Gruppen getragen wird.

„Wie überlebens-wichtig – im wahrsten Sinne des Wortes - diese Mission ist, wurde deutlich, als nur wenige Tage nach ihrem ersten Aufbruch rund 200 Kinder, Frauen und Männer vor dem Ertrinkungstod gerettet wurden“, erklärt Leona Holler, Pfarrerin der Evangelisch-Reformierten Kirchengemeinde in Soest. Die Gemeinde gehört seit Anfang des Jahres zum Unterstützerkreis der „Sea Watch 4“.

Holler weiter: „Natürlich kann eine kleine Gemeinde, fernab vom Meer und jedem Hafen, kaum selbst tatkräftig aktiv werden, aber mit dem Beitritt zum Trägerbündnis möchten wir zumindest ein deutliches humanes und tatkräftig christliches Zeichen setzen! Daher haben wir uns gerne und sofort dem Bündnis für diese weitere Rettungsaktion angeschlossen." 

Wie wichtig jede Unterstützung ist, ist in den wenigen Wochen seit dem ersten Aufbruch der „Sea Watch 4“ mehr als deutlich geworden. Auch dieses Rettungsschiff wurde in seiner Arbeit behindert und schikaniert. Mehrfach wurde ihm die Zufahrt in einen sicheren Hafen verwehrt. Doch dann, vor wenigen Tagen, kam die überraschende Nachricht, dass die „Sea Watch 4“ in Palermo einlaufen darf. „Gott sei Dank“, freut sich Leona Holler.

Für Michael König, ehemaliger Presbyter der Reformierten Kirchengemeinde, der die Idee zum Bündnisbeitritt hatte, ist „es beschämend, fast wöchentlich über die Medien mitzuerleben, wie Menschen, die vor Krieg und politischer Verfolgung, vor Elend, Zwangsprostitution und Sklaverei fliehen und auf Menschlichkeit in Europa hoffen, im Mittelmeer ihrem Schicksal überlassen und gleichzeitig  Rettungsboote am helfenden Einsatz noch gehindert werden. „Die europäischen Staaten verhindern in jahrelangem Streit um Aufnahmequoten, das Leben gerettet werden kann. Dabei müsste ihr Ziel die Rettung jeden Lebens sein.“

Viele oft ebenfalls eher arme Länder in der Nachbarschaft der Hauptfluchtländer leisten für die Flüchtlinge ein Vielfaches von dem, was die europäischen Staaten leisten. „Die europäischen Werte sterben täglich im Mittelmeer" – diese Überschrift beschreibt die Situation nach Ansicht Königs treffend.

„Das Siegel unserer Gemeinde zeigt ein Schiff, eine alte Hanse Kogge, das mit dem Spruch: `Glückliche Fahrt unter der Leitung des (Heiligen) Geistes´ - umrandet ist. Genau dies wünschen wir auch der Sea-Watch4 und werden das Schiff und die darauf befindlichen Menschen mit unseren Gedanken und Gebeten begleiten", so Pfarrerin Holler.

 

 

„Das Siegel unserer Gemeinde zeigt ein Schiff, eine alte Hanse-Kogge“, zeigt Leona Holler die schon fast historische Verbindung zur Sea Watch. Foto: Hans-Albert Limbrock