Ein starkes Team in der Krise

Erstellt am 09.10.2020

SOEST - Austausch, Zusammensein und Leben: Darum geht es im Christlichen Hospiz Soest. Doch die Corona-Krise hat den Alltag des Hospiz-Teams auf den Kopf gestellt. Im Interview mit Claudia Wolf, Marketing und Kommunikation bei den Johannitern, berichtet Einrichtungsleiterin Angelika Köster, wie sie und ihre Mitarbeitenden die zusätzlichen Herausforderungen gestemmt haben.

Im Leitspruch des Christlichen Hospiz Soest geht es darum, „den Tagen mehr Leben zu geben“. Was verstehen Sie darunter?

Angelika Köster: Es bedeutet, dass es bei uns zuallererst ums Leben geht und nicht um den Tod. Wir essen, lachen und reden miteinander. Es gibt gemeinsame Gottesdienste. Besuche von Angehörigen sind jederzeit möglich. Manchmal wohnen die Ehepartner von Gästen bei uns. Kurz vor Beginn der Corona-Krise hat sich ein Gast im Hospiz taufen lassen. Da sind 25 Leute gekommen!

Was hat Corona verändert?

Der Austausch und das Gemeinsame, beides Dinge, mit denen wir uns identifiziert und die wir immer gelebt haben, waren plötzlich kaum noch möglich. Trotzdem haben wir alles in unserer Macht Stehende getan, um unserem Selbstverständnis – dass es bei uns zunächst ums Leben geht – gerecht zu werden.

Das muss schwierig gewesen sein unter Einhaltung von Corona-Schutzverordnungen und Hygiene-Konzepten?

Das war es. Zum Glück hatten wir einen tollen Sommer. Unsere Gäste waren häufig auf den Außenterrassen. Die Seelsorger des Pastoralen Raums Soest waren ebenfalls zu Gast mit ihrem Programm „Musik und Poesie am offenen Fenster“. Unser Team hat viele wertvolle Kompetenzen eingebracht. Wir hatten einen italienischen Abend, wo die Kolleginnen leckeres Essen gekocht haben, und einmal gab englisches Frühstück. Zum Team gehören eine Körper- und eine Aromatherapeutin – mit Massagen und ätherischen Ölen haben diese Entspannung zu unseren Gästen gebracht.

Abgesehen von solchen „Highlights“: Wie sah der Alltag im Hospiz während der Corona-Welle aus?

Die Gäste konnten sich mit den Angehörigen nicht im Wohnbereich aufhalten. Das bedeutete „Zimmerservice“ für uns: Wir mussten jedes Essen, jeden Kaffee, direkt in die Zimmer bringen. Immer wieder gab es neue Hygiene-Konzepte und Schutzverordnungen, mit denen wir uns befassen und die wir umsetzen mussten. Über mehrere Monate durften wir keine Ehrenamtlichen beschäftigen. Es gab so manchen „Dauerlauftag“.

Wie ist Ihr Team mit der zusätzlichen Belastung zurechtgekommen?

Es war nicht einfach und zeitweise waren wir erschöpft. Es war eine Daueranspannung zu spüren, schließlich lastete auf allen eine große Verantwortung. Die Gäste bekamen auch viel seltener Besuche von ihren Angehörigen. Mit der Folge, dass wir versucht haben, die fehlenden Sozialkontakte durch zusätzliche Gespräche aufzufangen. Dass so etwas nur bis zu einem gewissen Grad gelingen kann, ist klar. 

War da überhaupt noch Zeit für Urlaub?

Ja. Mir war wichtig, dass die Mitarbeitenden Urlaub nehmen. Ansonsten wäre es kaum möglich gewesen, die Zusatzbelastung zu stemmen. Ich bin froh, dass wir die Pflegequalität trotz Corona aufrechterhalten konnten. Wir können alle Betten belegen und dürfen auch nur Gäste aufnehmen, die negativ auf Covid-19 getestet wurden.

In manchen Krankenhäusern konnten Familien ihre sterbenden Angehörigen nicht einmal mehr besuchen. Wie war das im Christlichen Hospiz Soest?

Besuche waren hier auch außerhalb der mit den Behörden abgestimmten Besuchsregelung in Absprache immer möglich und in Fällen der Begleitung in den letzten Lebensstunden mehr als gewünscht.

Hatten die Gäste und ihre Familien Verständnis dafür, dass weniger Besuche möglich waren?

Zu Beginn der Corona-Welle mussten wir noch viel erklären. Aber spätestens während des „Lockdown“ war allen klar, dass es um die Gesundheit aller geht, nicht zuletzt um die der Pflegenden. Die Gäste und ihre Familien haben das verstanden und waren froh, dass sie überhaupt noch kommen durften. In manchen Krankenhäusern war es ja zeitweise nicht einmal mehr möglich, sich von einem sterbenden Partner, der eigenen Mutter oder dem Vater zu verabschieden.

Wie ist es nach dem „Lockdown“ weitergegangen?

Die Besuchsregelungen wurden nach und nach gelockert. Im Moment darf jeder Gast pro Tag zweimal je zwei Besucher im Zimmer empfangen oder einmal pro Tag vier Besucher im Außenbereich. Und endlich können Gäste mit ihren Familien wieder im Wohnbereich sitzen. Wir sind auch sehr froh darüber, dass die Ehrenamtlichen uns wieder beim Frühstücksdienst unterstützen dürfen!

Das klingt so, als sei der Alltag ein wenig zurückgekehrt?

Das stimmt. Wir hoffen, im Oktober einen sogenannten Befähigungskurs durchführen zu können, in dem wir neue Ehrenamtliche für die Mitarbeit bei uns qualifizieren. Wir haben eine neue Kunst- und Klangtherapeutin gewinnen können. Genau wie unsere Ehrenamtlichen wird die Therapeutin über Spenden finanziert. Vergangene Woche war sie zum ersten Mal da. Eine tolle Frau mit einem tollen Programm! Die Krise war eine Herausforderung, die das Team gemeistert hat. Jetzt ist es wichtig, die Kräfte zu erhalten, denn Corona wird auch weiter unsere Arbeit bestimmen.

 

 

 

 

 

Das Christliche Hospiz Soest

Lebensqualität kurz vor dem Tod zu wahren und zu schaffen ist oberstes Ziel des Christlichen Hospiz Soest. Das Team besteht aus hauptamtlichen Mitarbeitern, ausgebildeten Seelsorgern und ehrenamtlichen Helfern. Das Hospiz eröffnete 2018 seine Türen am Stadtrand von Soest. Träger sind die Johanniter-Unfall-Hilfe und die Evangelische Perthes-Stiftung.

www.hospiz-soest.de

Ein Bild aus der Vor-Corona-Zeit – als man noch enger zusammenrücken durfte.

Einrichtungsleiterin Angelika Köster.