Lippstadt fängt vorne an

Erstellt am 05.11.2020

Von Hans-Albert Limbrock

LIPPSTADT – Da hat die Kirchengemeinde Lippstadt eine buchstäblich ausgezeichnete Idee gehabt. „Vorne anfangen“ heißt ein Projekt, mit dem man sich ganz früh um den Nachwuchs kümmert; nämlich schon bei den werdenden Eltern. Dieses Konzept ist so überzeugend, dass  es nunmehr mit 50.000 Euro aus dem Innovationfonds der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) gefördert wird. Bei einem entsprechenden Wettbewerb belegten die Lippstädter mit ihrer Idee den dritten Platz.

„Wir freuen uns“, so Alexander Tschense, Vorsitzender des Presbyteriums, „dass wir diese Förderung und damit auch die Würdigung unseres Vorhabens erhalten. Es erlaubt uns, Menschen auf eine neue Weise mit Gottes Segen auf dem Weg durchs Leben zu begleiten.“ Gleichzeitig solle das Projekt Signalwirkung auch für andere Gemeinden haben und in ihnen den Mut wecken, „ganz vorne“ anzufangen.

Dass den christlichen Kirchen die Mitglieder und Gläubigen in den vergangenen Jahren in Scharen abhanden gekommen sind, ist keine sonderlich neue Erkenntnis. Das kann man natürlich bedauern, man kann auch Untersuchungen in Auftrag geben, warum das so ist – oder aber man kann handeln und versuchen, sich gegen diesen Abwärtstrend zu stellen. Und genau das tut die Gemeinde Lippstadt; wie man sieht mit Erfolg.

Alexander Tschense: „Es wird immer schwieriger, Kinder und Jugendliche mit kirchlichen Angeboten zu erreichen. Ein Grund dafür ist, dass es bereits in der heutigen Elterngeneration zu einer religiösen und kirchlichen Entfremdung gekommen ist.“ Gleichzeitig aber erlebe die Gemeinde, dass Taufen nach wie vor angefragt werden. Mit dem Projekt „Vorne anfangen“ setzt die Gemeinde genau an dieser Stelle an.

Mit Mirja Friedrich (34) wurde eine junge Frau eingestellt, die gemeinsam mit Pfarrerin Dr. Yvonne Buthke versuchen soll, die Menschen für Glaubensfragen zu begeistern, an die man sonst oft nicht herankommt. So werden zum Beispiel bereits auf der Neugeborenenstation im Evangelischen Krankenhaus erste Kontakte geknüpft. Alexander Tschense ist dabei einiges ganz wichtig: „Wir wollen niemanden mit der Bibel erschlagen, sondern es ist ein sehr behutsames Angebot.“

Man wolle bei den Eltern aber eine gewisse Sensibilität, Offenheit und Dialogbereitschaft zum Christsein wecken. Schließlich sei eine Geburt für alle ein einschneidendes Erlebnis, bei dem man spüre, dass es so etwas wie eine höhere Macht gebe. Auch deshalb werden Kinder kurz nach der Geburt getauft. Den Eltern ist das häufig ein wichtiges Signal ist; auch weil sie ihre Kinder von Gott behütet wissen wollen. Aber das war es dann häufig auch schon mit den Kontakten zur Kirchengemeinde. Bestenfalls werde diese dann zur Konfirmation wieder (kurz) erneuert.

Sozialpädagogin Mirja Friedrich und Pfarrerin Yvonne Buthke sollen nach Auskunft von Tschense dahin gehen, wo die jungen Eltern sind: Zu Elternmessen, in Geburtsvorbereitungsrunden und - wenn Corona es wieder zulässt - ins Krankenhaus. Dort sind sie als Ansprechpartnerinnen verfügbar und bieten gleichzeitig Begleitung in der lebensverändernden Situation an.

„Was wir schließlich konkret anbieten, hängt in erster Linie von den Menschen und ihren Bedürfnissen ab. Das kann ein Themenabend oder eine Krabbelgruppe sein oder eben auch etwas ganz anderes", sagt Mirja Friedrich, die erst seit Anfang Oktober bei der Gemeinde angestellt ist.

„Es geht uns an dieser Stelle vor allem darum, die vielen Angebote unterschiedlicher Anbieter miteinander zu vernetzen und den Eltern ein Kompass zu sein", fasst Pfarrerin Buthke die Idee zusammen. Aus diesen Begegnungen soll dann weiteres erwachsen. Wie das aussieht ist jetzt noch nicht klar. Für Buthke ist allerdings klar: „Das Projekt ist so lebendig wie der Glaube selbst.“

Und Presbyteriumsvorsitzender Tschense ist überzeugt: „Das ist Gemeindeaufbau in Reinkultur. Damit stellen wir die Kirchengemeinde auf Kopf.“

Wollen mit und für die Kirchengemeinde Lippstadt „vorne anfangen“: Pfarrerin Dr. Yvonne Buthke, Mira Friedrich und Alexander Tschense. Das Eichhörnchen „Nüsschen“ begleitet das Projekt und hilft vor allem beim Kontakt zu Kindern. Foto: Hans-Albert Limbrock

Ganz früh will sich die Lippstädter Kirchengemeinde um den potenziellen Nachwuchs in ihrer und für ihre Kirchengemeinde kümmern.