Warten auf die Heilkraft der Musik

Erstellt am 22.01.2021

 

HÜSTEN – Corona diktiert auch der Kirchenmusik ihre Noten. Und das sind ganz besondere Noten. Noten, die traurig machen und Noten die Hoffnung machen. Eine Bilanz über „Kirchenmusik in besonderen Zeiten“ hat Beate Ullrich für die Kirchengemeinde Hüsten erstellt:

Am 1. April begann die neue Kirchenmusikerin der Kirchengemeinde Hüsten, Annika Eisenberg, ihren Dienst. Leider war es kein Aprilscherz, dass sie nicht mit ihrem Kirchenchor und ihrem Posaunenchor für die anstehenden Feiertage proben und auch nicht im Gottesdienst spielen durfte.

Ihr Vorgänger, Martin Stegmann, hatte vor dem Lockdown die Chöre nicht nur für seine Verabschiedung Ende März vorbereitet, sondern schon nach Absprache begonnen, für die Musik zur Sterbestunde Jesu mit dem Posaunenchor und für die Ostertage mit beiden Chören zu proben. Auch Annika Eisenberg hatte bereits im Januar und Februar als Urlaubsvertretung einige Proben übernommen. In normalen Zeiten hätte sie nur eine Woche nach Dienstbeginn drei Auftritte mit vielen, ihr noch fremden Menschen vor sich gehabt, das Orgelspiel nicht mitgerechnet.

Ständchen zu Ostern

Doch es kam bekanntlich alles anders: Stegmann ging (vorerst) unverabschiedet in den Ruhestand, Eisenberg beschäftigte sich mit Organisation, Büroarbeit sowie Musikaufnahmen für die Online-Gottesdienste und die Mutmachimpulse auf der Hüstener Homepage. Choralbearbeitungen, teilweise mit Gesang, der „auf Distanz“ aufgenommen wurde, und freie Stücke für Orgel bereicherten den Internetauftritt der Gemeinde.

Kantorin und Stellvertretende Posaunenchorleiterin packten an Ostern die Posaunen aus. Zweistimmig (mehr Personen waren leider nicht erlaubt) spielten sie an verschiedenen Stellen in Hüsten Osterlieder und verkündeten: „Christ ist erstanden“.

An Himmelfahrt durfte dann doch der ganze Posaunenchor im Garten des Altenheims Ernst-Wilm-Haus ein Ständchen spielen – ohne Probe, aber Choräle gehen immer bei einem Posaunenchor. Die alten Menschen und das Pflegepersonal freuten sich sehr darüber.

Kurz danach begann die Gemeinde wieder, Präsenzgottesdienste zu feiern. Weil Gemeindegesang verboten war, wurden die Gemeindelieder seitdem jeden Sonntag von Solisten stellvertretend vorgetragen, die Gemeinde konnte die Texte mitlesen. Die Gesangbücher dienten gleichzeitig als Platzhalter, wo Gottesdienstbesucher sitzen durften. Die Gemeinde ist sehr froh und dankbar darüber, dass es in ihr mehrere Menschen gibt, die gerne und gut singen und sich nicht scheuen, das alleine zu tun. Manche Gottesdienstbesucher berichten von einem neuen Blick auf die Liedtexte.

Da einige Jungbläser ganz neu im Posaunenchor waren bzw. kurz davor, aufgenommen zu werden, bot die Jungbläser-Ausbilderin Einzelunterricht an, solange der auch in Musikschulen erlaubt war. In Zeiten, in denen das nicht möglich war, gab es ein Angebot für Unterricht per Videokonferenz. Das funktionierte gut, weil die Jungbläser/innen schon sehr fortgeschritten waren. Mit Neuanfängern wäre das schwierig geworden. Ein Zusammenspiel ist allerdings nicht möglich wegen der verzögerten Übertragung.

Endlich wieder Proben

Im Juli konnte zunächst der Posaunenchor wieder proben: In der Kirche, mit Abstand, Maske, Händehygiene, Auffangen und Entsorgen des Kondenswassers und Stoffüberzug am Schall. Alle durften mitspielen bei der Konfirmation, die auf der Freilichtbühne Herdringen stattfand, bei einem Freiluftgottesdienst neben der Kirche und in den Gärten von zwei Altenheimen. Es tat allen Bläsern gut, mal wieder zusammen mehrstimmig Musik zu machen.

Der Kirchenchor probte im Oktober in der Kirche. Die  Sängerinnen und Sänger  freuten sich über ein Stück zurückgewonnene „Normalität“. Die großen Abstände waren allerdings für sie sehr ungewohnt. Plötzlich hörte man sich selbst viel besser! Ein Auftritt war leider nicht mehr möglich, da bald die Infektionszahlen wieder anstiegen. Die Kreuzkirchenband gestaltete den Familiengottesdienst zum Erntedank musikalisch.

Am 4. Oktober wurde Annika Eisenberg im Gottesdienst in ihr Amt eingeführt. Im selben Gottesdienst konnte nun auch Martin Stegmann würdig verabschiedet werden. Beide hatten sich musikalisch gut vorbereitet mit den Möglichkeiten, die die Corona-Situation ihnen ließ. Kantor und Kantorin musizierten gemeinsam. Ein Gesangsquintett sang einige Strophen aus der Motette „Jesu, meine Freude“ von Johann Sebastian Bach. Nach dem Gottesdienst spielte der Posaunenchor draußen noch ein Abschiedsständchen für seinen langjährigen Leiter Martin Stegmann.

Auch den Gedenkgottesdienst für unbegleitet Verstorbene auf einem Friedhof durfte der Posaunenchor in voller Besetzung begleiten.

Ab November waren die Möglichkeiten wieder stark eingeschränkt. Die Chorproben wurden ausgesetzt. Am Ewigkeitssonntag spielte ein Bläserquartett die Auferstehungschoräle auf den Friedhöfen. Am 3. Advent gestaltete der Posaunenchor mit Adventschorälen durch die geöffnete Kirchentür Eingang und Ausgang des Gottesdienstes – ordnungsamtskonform.

Der Musikalische Advent konnte noch stattfinden, aber in anderer Form als gewohnt: Statt Kirchenchor, Posaunenchor und Mitsingen der Gemeinde Orgel und Sologesang, dazwischen adventliche Texte. Rückmeldungen von Besuchern zeigten, dass die Veranstaltung vielen Menschen gutgetan hatte.

Enttäuschte Hoffnungen

Alle Hoffnungen richteten sich nun auf Weihnachten. Dafür wurden ja wieder Lockerungen versprochen. Der Posaunenchor hätte in der Schützenhalle zur Christvesper gespielt. Ein Gesangsquartett hätte am 1. Weihnachtstag Choräle aus Bachs Weihnachtsoratorium gesungen. Ganz viel hätte, hätte…

Die Bachchoräle mit dem Gesangsquartett konnten für den Online-Gottesdienst aufgenommen werden. Nur wenigen dürfte klar sein, wie viel Arbeit in so einer Aufnahme steckt. Für das Singen in einem Gottesdienst gibt es eine Probe, dann wird es aufgeführt und es ist, wie es ist. Für eine Aufnahme, die bleibt, will man natürlich das Beste herausholen. Also wird alles mehrfach aufgenommen. Das dauert einen Nachmittag – und ist noch überschaubar. Erst danach beginnt die eigentliche Arbeit mit Durchhören, Vergleichen, andere Meinung einholen, Schneiden, und dann immer wieder von vorne.

Jetzt sind alle gespannt, wann es weitergeht, und wie. Wann dürfen Posaunenchöre, Kirchenchöre und andere musikalische Gruppen wieder proben? Viel wichtiger ist: Wer ist nach dieser extrem langen Pause noch da? Werden die Jugendlichen dabei bleiben? Werden die Älteren wiederkommen? Werden die Berufstätigen sich die Zeit zum Wiedereinstieg nehmen?

Alle hatten und haben ihre eigenen Sorgen durch die Pandemie und ihre Folgeerscheinungen. Hoffentlich erinnern sich alle, wie wohltuend und heilsam das gemeinsame Musizieren sein kann!

 

In Zweier-Gruppen – hier Beate Ullrich und Annika Eisenberg – wurden Ostern Ständchen gespielt. Foto: Frank Albrecht

Die neue Kantorin Annika Eisenberg. Fotos: privat

Im Juli durfte der Posaunenchor dann endlich wieder proben.

Ein Hauch von Normalität: Bei der Konfirmation, die in der Freilichtbühne Herdringen gefeiert wurde, konnte der Posaunenchor auftreten.