Ritterschlag für Dombauhütte

Erstellt am 29.01.2021

 

Von Hans-Albert Limbrock

SOEST – Vielleicht wird ihm die Formulierung nicht gefallen: Aber die Entscheidung, die kurz vor Weihnachten in Paris gefallen ist, ist so etwas wie ein verspäteter Ritterschlag für Jürgen Prigl, den Dombaumeister der Wiesenkirche  im (Un)Ruhestand . Einen Ritterschlag, den es eigentlich nicht wirklich bedurft hätte, denn jeder der sich mit der nunmehr schon Jahrzehnte andauernden – und noch weitere Jahrzehnte dauernden - Restaurierung der Wiesenkirche beschäftigt, weiß um die herausragende Arbeit, die Prigl und sein Team in der Vergangenheit geleistet hat.

Gemeinsam mit siebzehn weiteren Dombauhütten an europäischen Kathedralen ist die Soester Bauhütte nun in das „Register Guter Praxisbeispiele“ aufgenommen worden. Ohne Zweifel gehört Prigl zu den treibenden Kräften, die die Basis für diese ganz besondere UNESCO-Auszeichnung gelegt haben.

Bereits 1998 hat er dafür so etwas wie das Fundament gegossen, als er seine internationalen Kollegen zu einem viel beachteten Symposium nach Soest eingeladen hatte. Dieser ersten „Soester Runde“ sollten weitere folgen, was schließlich zur Gründung der European Association of building craft and design“ (EACD) in Brüssel bei der EU führte. 2017 beschloss die EACD-Vollversammlung die Verleihung der Ehrenpräsidentschaft an den Soester Dombaumeister.

Die jetzt erfolgte Anerkennung zum Weltkulturerbe ist dabei deutlich mehr als ein Titel, mit dem man sich schmücken kann; vielmehr ist es ein wichtiger Baustein, in schwierigen Zeiten die finanzielle Sicherheit für die Mammutaufgaben, die allen Bauhütten gemein ist, ein Stück weit zu manifestieren. Und da befindet sich Soest in exquisiter Gesellschaft, denn die Liste der achtzehn Bauhütten aus Deutschland, Frankreich, Norwegen, Österreich und der Schweiz liest sich wie das Who-is-Who der Europäischen Kathedralbauten (siehe Kasten).

Das Bauhüttenwesen ist vor allem von einer multidisziplinären Zusammenarbeit geprägt. Die Handwerker geben ihr Wissen, ihre handwerklichen Fertigkeiten und Fähigkeiten weiter, bilden Nachwuchs aus, halten Feste und jahrhundertealte Rituale lebendig, dokumentieren zudem ihre Arbeiten und präsentieren das Bauhüttenwesen auch nach außen hin.

Der Ursprung des Bauhüttenwesens liegt in den Baustellen der Großkirchen des Mittelalters. Damals wie heute waren sie unmittelbarer Nähe zu den Kirchen angesiedelt. Das Wissen und Können der Handwerker wurde von Generation zu Generation weitergegen. Darüber hinaus sind sie seit dem Spätmittelalter eng miteinander verbunden. So hat sich ein überregionales, über Landes- und Ländergrenzen hinausgehendes Netzwerk gebildet.

Ein Netzwerk, von dem alle gleichermaßen profitieren können, die sich für den Erhalt von Kathedralen und bedeutenden Großbauten engagieren. „Der länderübergreifende Austausch ist bei uns gut geübte Praxis“, hat etwa Peter Füssenich, der Kölner Dombaumeister formuliert. „Wir arbeiten eng zusammen und tauschen uns aus über unsere Erfahrungen. Wir haben keine Berufsgeheimnisse, sehen keine Konkurrenz untereinander, sondern lernen voneinander.“

 

Hohe Auszeichnung: Am Tag der Aufnahme der Bauhütten in die Liste Immaterielles Weltkulturerbe gratulierte auch Professorin Eva-Maria Seng, die an der Uni Paderborn den Lehrstuhl für „Materielles und Immaterielles Kulturerbe“ innehat. Fotos: Hans-Albert Limbrock

Bei einem Besuch in der Bauhütte hat sich Superintendent Dr. Manuel Schilling durch Dombaumeister Jürgen Prigl die Arbeit erklären lassen.

Alte und traditionelle Werkzeuge wie Klöppel und Zahneisen gehören zur Grundausstattung einer jeden Bauhütte.