Lebendige Werke aus Stahl und Bronze

Erstellt am 31.03.2021

Rafael Jürgens in seinem Element. Im Mescheder Ortsteil Wennemen betreibt der 45-jährige erfolgreich eine Kunstschmiede. Fotos: Dorothea Richter

Von Dorothea Richter

WENNEMEN - Lodernde Flammen in gelb, orange und rot - bis hin zu kleinen, hellblau-lila Flämmchen umzingeln das Eisen in der „kochenden Kohle“ der Esse und bringen es allmählich zum Glühen. Dabei entstehen  hohe Temperaturen, die der Fachmann an den Leuchtfarben des Materials erkennt: „Bei 800 Grad ist die Glühfarbe dunkelrot, weißgelb wird sie bei 1250 Grad“, erklärt Kunstschmied Rafael Jürgens und lässt den Stahl in der Feuerglut keine Sekunde aus den Augen. Als das lange Stahlstück die erwünschte Färbung angenommen hat, hievt er es mit einer Zange auf den Amboss des elektrisch angetriebenen Luftschmiedehammers, der mit großer Wucht und im regelmäßigen Rhythmus seinen schweren Hammer niederschmettern lässt.

Wumm! Wumm! Laut hallen die metallenen Schläge in der Kunstschmiedewerkstatt an der Dorfstraße in dem kleinen Ort Wennemen bei Meschede. Hochkonzentriert beobachtet Rafael Jürgens weiterhin sein „heißes Eisen“, wie es sich nach und nach unter den massiven Hammerschlägen verformt: „Beim Schmieden muss es schnell gehen, da arbeite ich aus dem Bauch heraus.“

Unterdessen ist das  Eisen kalt geworden und muss nochmal ins Feuer. Die weitere Verarbeitung am kleinen Amboss, „der ist noch von meinem Opa“, erfordert jetzt seine ganze Muskelkraft und Präzision. Jeder Schlag muss sitzen, da wo er hin gehört.  „Zu viel, und das Teil verliert an Masse, das lässt sich dann  kaum noch korrigieren.“ 

Für den 45-jährigen, gebürtigen Wennemer spielt Qualität eine große Rolle: „Jedes Stück ist ein Unikat und wird nach den Wünschen des Kunden entworfen, dann im Feuer erhitzt und am Amboss mit dem Hammer frei geformt.“ Seine Konstruktionen sind lebendige Werke aus Stahl, Bronze, Kupfer oder Edelstahl, jedes Material hat seinen ganz eigenen Reiz und bietet einen großen Gestaltungsspielraum.

Dass Rafael Jürgens den „Nerv“ trifft, beweist die große Nachfrage seiner Auftraggeber, die seine traditionelle, künstlerisch-handwerkliche Schmiedetechnik schätzen. „Mein Stil beinhaltet eine klare Formsprache, weniger das Verspielte, wenn jemand das aber haben möchte, auch kein Problem.“

Die Liste seiner Arbeiten, sowohl für den privaten, als auch für den kirchlichen Bereich ist umfangreich und reicht von Geländer, Tore, Zäune, Fenstergitter, Kerzenleuchter, über Grabzeichen, Sonnenuhren, Brunnen, bis hin zu Chorraumgestaltungen, Opferkerzenleuchter, Tabernakel, Weihwasserschalen, und noch vieles mehr.

Im Warsteiner Raum hat Rafael Jürgens für die beiden Katholischen  Kirchen St. Pankratius und Heilig-Kreuz in Belecke Abschlussgitter entworfen und geschmiedet, ebenso für die 

die Suttroper St. Johannes Kirche. „Ein Abschlussgitter ist schon ein großer Eingriff in die Architektur der Kirche, es muss transparent sein und dennoch den sakralen Ansprüchen gerecht werden“, beschreibt er diese schmiedeeiserne kunstvolle Variante. Die meisten Aufträge im kirchlichen Bereich kämen von katholischer Seite, so lautet die Erfahrung des Kunstschmiedes. Aber auch die Evangelische  Kirche gehört zu seinen Auftraggebern.

Der Faktor Zeit spielt eine große Rolle im Schmiedehandwerk. Manchmal müssten seine Auftraggeber ein halbes Jahr  lang warten, bis er den an die architektonischen Gegebenheiten angepassten Entwurf künstlerisch umsetzen könne. Im Allgemeinen bräuchte er für größere Arbeiten einen Zeitraum bis zu drei Jahren. 

Ein Auftrag von Rafael Jürgens ging vor einigen Jahren nach Berlin in die Seelsorgeabteilung der Charite, „und wie es der Zufall so will, gucke ich abends einen Film und sehe auf einmal meinen Opferleuchter dort stehen“, schmunzelt der zweifache Familienvater, „das war schon ein tolles Gefühl“.

Die Kunstschmiedewerkstatt Jürgens an der Wennemer Dorfstraße ist 120 Jahre alt und nannte sich zu den alten Zeiten von Urgroßvater und Großvater  „Huf- und Wagenschmiede". 2012  übernahm der damals 36-jährige Rafael, der nach einem Schülerpraktikum  und der Ausbildung zum Kunstschmied in Trier ins Sauerland zurückkehrte und viele Jahre mit seinem Vater Heinrich zusammenarbeitete -  den Familienbetrieb und führt diesen in der vierten Generation fort. Seitdem wurde das sich in direkter Nachbarschaft zum Wohnhaus stehende Gebäude immer wieder erweitert, die Spuren der Anbauten sind noch auf dem Boden zu erkennen.

„Es ist kein Großbetrieb, der auf Masse ausgelegt ist“, betont Rafael Jürgens sein wirtschaftliches Konzept, „mir kommt es darauf an, die traditionsreiche Geschichte meiner Familie fortzusetzen und das ursprüngliche Handwerk auszuüben.“

Viele Lehrlinge und Gesellen sind hier ausgebildet worden und haben mit hervorragenden Leistungen und außergewöhnlichen Arbeiten zahlreiche Meistertitel „geholt“. Der nächste „Nachwuchs“ ist auch schon da mit Ronja Domeier, die ihr 3. Lehrjahr in Wennemen absolviert und eine große Begeisterung für das Kunstschmiedehandwerk hat. 

Frauenpower: Auszubildende Ronja Domeier ist im 3. Lehrjahr zur Kunstschmiedin.

Auch solche, vergleichsweise filigranen Arbeiten gehören zum Repertoire von Rafael Jürgens.