Hürden für Flüchtlinge immer höher

Erstellt am 01.04.2021

Überwiegend sind es Menschen aus Afrika, die aktuell in der ZUE untergebracht sind. Fotos: Hans-Alvert Limbrock

Von Hans-Albert Limbrock

SOEST – Wenn Yaqub Michelle sich in Rage redet, dann redet er mit Händen und Füßen. Ohne Punkt und Komma. Und der Verfahrensberater der Diakonie redet sich schnell in Rage. Das mag an seinem arabischen Temperament liegen, mehr aber noch an seinem Job, in dem er sich zunehmend hilfloser fühlt. Hilflos gegenüber der ausufernden Bürokratie den immer höher werdenden Hürden, die Flüchtlingen in den Weg gestellt werden, wenn sie nach Deutschland kommen.

Nach Deutschland, in das vermeintlich gelobte Land. Aber ein gelobtes Land ist es in der harten Realität nur für wenige. „Die Hürden sind dramatisch hoch“, sagt Michelle. „Die Behörden sind zunehmend daran interessiert, dass die Flüchtlinge wieder gehen und unser Land verlassen.“ 99,9 Prozent der Geflüchteten, die in der Zentralen Unterbringungs-Einrichtung in Echtrop sind, würden einen negativen Bescheid bekommen, erläuterte der Diakonie-Mitarbeiter jetzt im Gespräch mit Dr. Manuel Schilling, dem Superintendenten des Kirchenkreises Soest-Arnsberg, und der Flüchtlingsbeauftragten Elisabeth Patzsch.

340 Frauen, Männer und Kinder leben in der ehemaligen Kaserne, die auf halber Strecke zwischen Soest und Möhnesee liegt. Zehn von zwölf Häusern sind aktuell belegt. Untergebracht sind die Menschen in  Zimmern mit vier bis acht Betten. Betreut wird die Einrichtung der Bezirksregierung von den Maltesern.

„Wir haben hier sehr viele, die aus angeblich sicheren Herkunftsländern stammen und deshalb wieder in ihre Heimatländer zurück sollen“, erklärt Robert Posch, der ebenfalls zur Flüchtlings-Beratungsstelle der Diakonie gehört.

Michelle und Posch werden tagtäglich mit den vielfältigen Problemen der Flüchtlinge konfrontiert und versuchen, so gut es geht ihnen zu helfen. „Nur Wunder können wir auch nicht vollbringen“, macht Yaqub Michelle deutlich, dass die Möglichkeiten zu konkreter Hilfe begrenzt sind - und dann schiebt er leicht resigniert nach: „Das ist mitunter schon alles ziemlich frustrierend.“

Anders als die Menschen, die oft an Schreibtischen oder in Gerichtssälen über das Schicksal der Frauen, Männer und Kinder entscheiden, befasst sich Michelle mit deren Geschichten, hört ihnen zu und hat so ein Gespür dafür entwickelt, was die Geflüchteten durchgemacht haben und was sie bei der Rückkehr in ihre Heimat oder in ein anderes europäisches Land erwartet.

„Viele der Frauen“, so Michelle, „haben traumatische Erlebnisse hinter sich. Sie sind in ihren Heimatländern – oft Afrika – Opfer von Gewalt geworden, sind dann in den europäischen Flüchtlingslagern missbraucht und vergewaltigt worden. Und dann sollen sie aufgrund von Dublin II genau in diese Länder zurückkehren. Eine Flüchtlingspolitik, die sich an den Werten, für die Europa stehen will, orientiert, stelle ich mir anders vor.“

Superintendent Schilling hatte der Besuch in der ZUE sichtlich zugesetzt. „Mich nimmt das sehr mit“, sagte er und versprach, sich weiterhin für die Beratungsstelle aber auch für die geflüchteten Menschen einzusetzen. „Mit unseren Kirchenasylen, aber auch mit dem Rettungsschiff Sea Watch, das im Mittelmeer schiffbrüchige Flüchtlinge aufnimmt, leistet die Evangelische Kirche schon einen großen Beitrag. Und doch habe ich das Gefühl, dass wir noch mehr tun können, nein – tun müssen.“

 

Superintendent Dr. Manuel Schilling: Wir müssen mehr tun.

Diakonie-Verfahrensberater Yaqub Michelle: Die Arbeit wird zunehmend frustrierend

Einst Kaserne, heute Zentrale Unterbringungs-Einrichtung für Flüchtlinge.