Bildung als Bewegung

Erstellt am 06.05.2021

 

SOEST – Lena Husemann und Susanne Schulze sind verantwortlich für die Erwachsenenbildung im Evangelischen Kirchenkreis Soest-Arnsberg. In einem Interview beantworten sie Fragen von Julie Riede zu einem Weiterbildungsangebot in schwierigen Zeiten.

 

Wie sind Ihre Erfahrungen mit der „Bildung Erwachsener“?

HUSEMANN: Ich finde es sehr bereichernd, sich mit aktuellen gesellschaftlichen und/oder religiösen Themen auseinandersetzen und durch die Erfahrungen und Biographien der Teilnehmenden von verschiedenen Standpunkten und Perspektiven aus ins Gespräch zu kommen. Bildung Erwachsener heißt für mich, an der Gestaltung des eigenen, des kirchlichen und des gesellschaftlichen Lebens aktiv und verantwortlich mitzuwirken. Das Klimaschutzkonzept wird zum Beispiel durch Unterstützung der Erwachsenenbildung in die Gemeinden kommuniziert, damit alle Bereiche sich angesprochen fühlen und handeln.

 

In einem Satz: Worin liegt der Auftrag der Erwachsenbildung in unserer Zeit?

SCHULZE: Dass aus Wissen Weisheit wird

 

Kirche und Erwachsenenbildung – ein Konglomerat mit Wertschöpfung und Potenzial? Oder: Warum braucht Kirche Bildung und Bildung Kirche?  

HUSEMANN: Der Protestantismus ist eine der Bildungsbewegungen in unserem Land. Bildung als Bewegung, Lernen als Weiter-Wollen, als Fort-Bewegung – das ist es, was die EB auszeichnet. Unsere Kirche als Institution und als Körperschaft wird von vielen Menschen – ob zu Recht oder zu Unrecht – eher mit dem starren Bestand als mit Bewegung in Verbindung gebracht, eher mit der Vergangenheit als mit der Zukunft, eher mit der fixen Lehre als mit einem offenen Lernen. Längst wissen wir, dass erfolgreiche Organisationen lernende Organisationen sind. Und dass bewegte und bewegende Biographien lebenslang lernende und bewegliche Biographien sind. Nicht zuletzt tut ein profiliert religiöses und eben darum plurales Bildungsnetzwerk einem Land gut, einer Zivilgesellschaft und deren Bildungslandschaften. Denn ein Glaube, der sich selbst versteht, der sich verständlich zu machen weiß und der sich mit anderen versteht, ist ein wesentliches Element offener Gesellschaften.

 

Kursangebote in der Erwachsenenbildung im Kirchenkreis Soest-Arnsberg: wie hat sich dieses mit den Jahren verändert?

SCHULZE: Die formalen Ansprüche an Weiterbildungsangeboten sind gestiegen. Dies beinhaltet zum einen leider mehr Bürokratie. Zum anderen aber auch einen gestärkten Verbraucher*innenschutz. Die Qualifikationen der Lehrenden werden ausführlicher geprüft und Teilnehmer*innen verstärkter um Rückmeldungen gebeten.

 

Welche „Sorgen“ und welche besonderen Chancen (um nicht zu sagen: „Herausforderungen“) sehen Sie aktuell (Coronakrise) in der Erwachsenenbildung?

SCHULZE: Zurzeit sind Weiterbildungsmaßnahmen gemäß der Coronaschutzverordnung in Präsenz untersagt. In der Praxis heißt dies, dass wir versuchen digitale Angebote zu entwickeln und anzubieten. Doch dazu müssen wir selbst erstmal richtig fit in solchen Dingen werden. Neben dem technischen Knowhow brauchen wir vor allem Kenntnisse in Web-Didaktik. Schließlich wollen wir weiterhin Anbieterin von qualitativ guten und pädagogischen sinnvollen Angeboten bleiben. In all diesen Aufgaben bemühen wir uns, unsere Dozent*innen mitzunehmen. So spannend und abenteuerlich es für uns auch ist, all diese Dinge in sehr kurzer Zeit zu lernen: mich beschäftigt auch die Frage, wie viele Menschen augenblicklich abgehängt  werden. Nicht jede*r hat Zugang zu digitalen Endgeräten oder empfindet die digitale Welt als Bereicherung.

 

Ankommen. Weiterkommen? Flucht, Asyl und Erwachsenenbildung: Welche Rolle spielen Bildungsprozesse in der Unterstützung Geflüchteter?

HUSEMANN: Bildung ist der Schlüssel zur Integration von Geflüchteten. Integration kann ohne Bildung nicht funktionieren. Mehr als die Hälfte der Geflüchteten sind jünger als 25 Jahre, also in einem Alter, in dem sie eine Ausbildung benötigen. Das Evangelische Erwachsenenbildungswerk ist Träger für Deutschkurse nach dem Zuwanderungsgesetz. Die Hauptvorlage beschreibt Integration als Einbeziehung und Teilhabe aller, die am besten von unten her wachsen. Mit dem Angebot der Sprachkurse samt Kinderbetreuung in Lippstadt und Geseke tragen wir ein gutes Stück zu Sprechfähigkeit und Teilhabe für Geflüchteten bei.

 

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Erwachsenenbildung im Ev. Kirchenkreis-Soest Arnsberg?

HUSEMANN: Ein stabiles Angebot und stabile Teilnehmendenzahlen, mehr Selbstwirksamkeit und größere Vielfalt der Teilnehmenden im Hinblick auf das Alter und die Herkunft.

Lena Husemann (Foto) ist zusammen mit Susanne Schulze für die Erwachsenenbildung im Kirchenkreis zuständig.