Da kommt die Chefin

Erstellt am 06.05.2021

SOEST - „Wir in der Frauenhilfe sind viele, wir sind bunt und jung und alt und fromm und politisch“, stellt Angelika Weigt-Blätgen heraus. Sie wurde Anfang Mai offiziell in den Ruhestand verabschiedet. 22 Jahre führte sie als Leitende Pfarrerin die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V. mit Sitz in Soest. Zuvor - seit 1983 – hatte sie bereits als theologische Referentin in der Frauenhilfe gearbeitet und kannte die Verbands- und Gruppenarbeit ebenso gut wie die theologische Bildungsarbeit. Ihre Nachfolgerin im Amt der Leitenden Pfarrerin ist Birgit Reiche.

Im Festgottesdienst wurde sie von Ulf Schlüter, Theologischer Vizepräsident der Evangelischen Kirche von Westfalen, entpflichtet. Die Laudatio hielt Angelika Waldheuer, Vorsitzende der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen. Grußworte von Dr. Irmgard Schwätzer, Pfarrerin Dr. Dagmar Pruin, Pfarrer Dr. Martin Zentgraf, Kirchenrätin i.R. Susanne Kahl-Passoth, Maria Loheide und von Oberkirchenrätin i.R. Antje Heider-Rottwilm würdigten ihr hohes Engagement.

Ehrenamtliche Leiterinnen von Frauenhilfen empfingen sie oft mit „da kommt die Chefin“, erinnert sich die gebürtige Dortmunderin an die Anfänge ihrer Amtszeit – aus Vergnügen und Stolz auf eine Chefin, da sie die erste Frau in der Geschäftsführung in der Geschichte des Verbandes war. Die Frauenhilfe sei eine starkes Stück Verbandsprotestantismus, ein selbständiger Frauenverband in der westfälischen Kirche, habe sich im Dritten Reich der Bekennenden Kirche angeschlossen, habe geholfen, Kirchengemeinden aufzubauen, sich in Frauen- und Friedensfragen positioniert und sich für Gerechtigkeit eingesetzt - kein Grund also, sich klein zu machen oder sich klein machen zu lassen. „Mir lag daran, dieses Selbstbewusstsein zu befördern durch Bildungsarbeit, in der Kampagnenarbeit, in der politischen Arbeit, in der Anti-Gewalt-Arbeit, durch Vernetzung in der Zivilgesellschaft“, stellte die 66jährige fest.

Auf die Frage, wo sie für die Feministischen Theologien und die Frauenarbeit Handlungsbedarf sähe, antwortet die seit zwei Jahrzehnten in Soest Wohnende: „Eine Herausforderung sehe ich in rechtspopulistischen Tendenzen, die antisemitische und antifeministische beinhalten. Geschlechterbewusstsein, Geschlechtervielfalt und alle Bemühungen, die sich mit dem Stichwort „Gender“ verbinden, werden verunglimpft, Menschen, die sich in diesem Bereich engagieren zum Teil mit verbaler Gewalt bis hin zu tätlichen Angriffen verfolgt. Eine selbstbewusste feministische-theologische Grundhaltung kann helfen, solche Tendenzen zu erkennen und ihnen keinen Raum in Kirche, Gemeinde, Gesellschaft zu lassen.“

In ihrer Amtszeit wurde zum einen die Anti-Gewalt-Arbeit des Verbandes weiterentwickelt. Beratungsstellen für Opfer von Menschenhandel sowie für allgemeine Prostituierten- und Ausstiegsberatung kamen hinzu und haben eine breite Unterstützung von Frauen innerhalb und außerhalb der Frauenhilfe erfahren. Das Engagement des Verbandes in der Altenhilfe wurde ebenfalls ausgebaut – sowohl durch die Anzahl der Pflegeeinrichtungen und Pflegeschulen, als auch durch Angebote in der Erwachsenenbildung und durch inhaltliche Profilierung in den Bereichen.

Geschlechtergerechtigkeit und Strategien gegen alle Formen der Gewalt sind wichtiger Teil der Konzepte und der alltäglichen Arbeit geworden in den weiter ausdifferenzierten Einrichtungen des Verbandes für Menschen mit psychischen Erkrankungen und Behinderungen im Märkischen Kreis und im Ennepe-Ruhr-Kreis. „Frauenhilfe heißt eben: Frauen helfen Frauen. Und: Frauenhilfe heißt eben: Frauen helfen Menschen“, fasst Angelika Weigt-Blätgen die Entwicklungen zusammen. 

Vizepräses Ulf Schlüter entpflichtete Angelika Weigt-Blätgen.

Angelika Weigt-Blätgen bei ihrer Abschiedspredigt.