Der Pfarrer und der Bundeskanzler

Erstellt am 28.05.2021

Eine letzte Predigt: In der Werler Pauluskirche wurde Regionalpfrrer Romesh Modayil von seinen Aufgaben entpflichtet. Foto: Hans-Albert Limbrock

Von Hans-Albert Limbrock

SOEST/ARNSBERG – Es war in den 80er Jahren. Romesh Modayil hatte gerade erst ein paar Brocken Deutsch gelernt, als er dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl bei dessen Besuch in Neu Delhi die Hand schütteln durfte. „Sie müssen mal nach Deutschland kommen“, forderte ihn der Kanzler auf. „Gerne. Wenn Sie mich einladen“, antwortete Modayil und wusste zu diesem Zeitpunkt natürlich nicht, dass er in späteren Jahren eine ganz besonders intensive Beziehung zu Deutschland entwickeln sollte.

Eine Beziehung, die jetzt mit seiner Entpflichtung als Regionalpfarrer bei der MÖWe (Amt für Mission, Ökumene und kirchliche Weltverantwortung) mit dem Schwerpunkt Kirchenkreis Soest-Arnsberg ein vorläufiges Ende gefunden hat, denn Modayil wird in sein Heimatland Indien zurückkehren – sobald es die Pandemie zulässt.

Wer sich den Lebenslauf des 66-Jährigen anschaut, bekommt den Eindruck, dass dieser (mindestens) zwei Leben gelebt haben muss. Aufgewachsen ist er im südindischen Kerala, wo er auch syrisch-orthodox getauft wurde. Es folgten ein Studium und Bachelor in Volkswirtschaft, Master in Betriebswirtschaft, Theologiediplom, Master in Islamwissenschaften und ein Lehrdiplom.

Zunächst war er als Betriebswirtschaftsprüfer unterwegs, hat dann als Jugendpastor der methodistischen Kirche in Indien gearbeitet, war danach zwanzig Jahre als Missionar der United Methodist Church in den USA und in verschiedenen anderen Ländern tätig, bevor er schließlich nach Deutschland kam, wo er die vergangenen fast zwanzig Jahre gearbeitet und gelebt hat, davon die letzten zwei Jahre als Nachfolger von Regionalpfarrerin Margot Bell (Lippstadt).

Ein bewegtes Leben: „Ja, das kann man so sagen“, lacht Romesh Modayil laut, „ich weiß selber nicht, wo all die Jahre geblieben sind. Mein Leben war sehr, sehr bunt. Dafür bin ich unendlich dankbar.“

Mit Deutschland verbindet er fast ausschließlich gute Erinnerungen. „Ich habe hier viele gute Freunde gefunden und bin fast überall gut aufgenommen worden.“ Und wer so viel auf der Welt gesehen und so viele Menschen kennengelernt hat, dem sei auch eine Einschätzung erlaubt, wie er die Deutschen erlebt hat.

„Ich schätze ihre Zuverlässigkeit und Aufrichtigkeit. Wenn man sich mit jemandem anfreundet, ist das nie berechnend; man erwartet zunächst einmal nichts von dir.“ Das sei in Indien und auch in den USA völlig anders: „Dort stellt man sich immer gleich die Frage, wie man von dieser Freundschaft profitieren kann.“

Aber Romesh Modayil hat auch das hässliche Deutschland erlebt, den offen gelebten Rassismus. „Nach der Wende war das vor allem in den neuen Bundesländern ganz  schlimm. In Städten wie Berlin, Hamburg, Dortmund oder auch hier in Soest und Arnsberg habe ich davon nichts gespürt. Ganz im Gegenteil sogar.“

Wann er seine Zelte hier endgültig abbricht, hängt ganz von der Corona-Entwicklung in Indien ab. „Derzeit“, so der Pfarrer, „ist das viel zu gefährlich. Obwohl ich zweimal geimpft bin, würde ich mich nicht sicher fühlen. Ich muss also Geduld haben und abwarten, wie sich die Dinge dort entwickeln.“

Dabei würde er lieber heute als morgen zurück in seine Heimat. Das hat weniger mit Heimweh, den vier (Pflege)Kindern und sieben Enkelkindern zu tun, als vielmehr mit einer Herzensangelegenheit, der er sich seit bald zwanzig Jahren verschrieben hat. „Ich habe in Dehradun das Projekt Little Scholars School ins Leben gerufen. Dort kümmern wir uns um Kinder aus den Slums, sorgen für Bildung und Essen. Dort werde ich gebraucht.“ Außerdem wird sich Modayil weiter für den Kampf gegen Kinderarbeit in Indien einsetzen. Das bewegte Leben geht also weiter.

Pfarrer Lutz Wulfestieg griff zur Gitarre und spielte zum Abschied von Romesh Modayil.