Dramatische Situation in Kitas

Erstellt am 17.12.2021

Von Hans-Albert Limbrock

Soest-Arnsberg. Die Fachberatungen von zahlreichen Kindertageseinrichtungen schlagen Alarm und haben sich mit einem „Brandbrief“ an den Fachverband Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe (RWL) gewandt und ihn darin aufgefordert, sich beim Landschaftsverband und der Landesregierung „dringend um Lösungen und Unterstützung“ für die äußerst angespannte Situation in den Kitas einzusetzen.

Unterschrieben ist der Brief von neun Fachberatungen, die über dreihundert evangelische Kindertagestätten in NRW vertreten, darunter auch die 29 Einrichtungen im Evangelischen Kirchenkreis Soest-Arnsberg. „Unsere Mitarbeitenden sind alle am Limit“, berichtet  Charlotte Bierkamp, die den Brief gemeinsam mit Diana Junker-Thiemann und Hildegard Neuhaus-Schäfer für die Fachberatung des Kirchenkreises unterschrieben hat. Und diejenigen, die nicht am Limit seien, seien entweder krank oder bereits ausgeschieden. Bierkamp: „So dramatisch war die Situation noch nie. Es ist mittlerweile ein Punkt erreicht, der sofortigen Handlungsbedarf erfordert.“

Zwar liegt nicht alles an Corona und den dadurch erschwerten Bedingungen, aber die Pandemie hat in jedem Fall strukturelle Defizite zu Tage gefördert und verstärkt. „Die derzeitige Lage und Personalsituation in den Kindertageseinrichtungen ist katastrophal“, heißt es dazu in dem Brief. In nahezu jeder Kita fehlen pädagogische Fachkräfte, weil sie entweder erkrankt sind oder sich in Quarantäne befinden. Gleichzeitig wird „ein viel zu hoher Anteil ungeimpfter Mitarbeitenden“  reklamiert. Ohnehin fehle es schon in „guten Zeiten“ an ausreichend Fachkräften. „Es gibt“, so Bierkamp, „ganz konkret einen Nachwuchsmangel. Das hat nichts mit Corona zu tun, sondern hat andere Gründe.“

Unter der derzeit besonders angespannten Situation leiden in erster Linie die Kinder. Eine inhaltlich pädagogische Arbeit, die die einzelnen Entwicklungsbereiche der Kinder berücksichtigt, sei derzeit nicht umfänglich umsetzbar, heißt es dazu in dem Brief. Stattdessen gelte: „satt-sauber-versorgt“.

Auch die Leitungen der Kitas seien längst am Limit: „Es herrscht eine unzumutbare Belastung der Leitungen. Der überbordende Anteil von bürokratischer Abwicklung der sich ständig ändernden Coronabetreuungsverordnung und Arbeitsschutzverordnung, sowie des Infektionsschutzgesetzes, die fortlaufenden Anpassungen der Gefährdungsbeurteilung und des Hygienekonzepts der Einrichtung, lassen keinen Raum/keine Zeit/keine Energie für die Umsetzung und Verantwortung des eigentlichen Bildungsauftrages.“

Bei den über dreitausend Mitarbeitenden, die die Fachberatungen vertreten, schlage sich diese „Dauerkrise“ unter anderem in „Hoffnungslosigkeit, Erschöpfung, Erkrankung oder fehlender Motivation“ nieder. Deutlich werden die Verfasserinnen mit ihrer Kritik an der Politik: „Dass die Politik diese Pandemie wie eine „Normalität“ behandelt und sich die Kitateams selber mit den schwierigen Auswirkungen arrangieren müssen, lässt sie fast verzweifeln. Sie fühlen sich allein und im Stich gelassen.“

Der dreiseitige Brief endet mit der Forderung nach „kurzfristigen Erleichterungen“ und nach „langfristigen Maßnahmen“. Unter anderem werden eine Wiedereinführung des Programms der „AlltagshelferInnen“ (von der Landesregierung bereits auf den Weg gebracht) sowie bessere Kommunikation der politisch Verantwortlichen mit den Mitarbeitenden in den Einrichtungen und der Elternschaft sowie ein deutlicher Bürokratieabbau gefordert. Längerfristig hoffen die Unterzeichnerinnen auf eine „vollständige Freistellung der Leitungen zur Bewältigung der Aufgaben“ und  eine „steigernde Attraktivität des Berufsbildes“ sowie „Initiativen zur Ausbildung und Gewinnung von Fachkräften“.

Bierkamp: „Unser Brief ist ein  verzweifelter Hilferuf und wir können nur hoffen, dass er bei den Verantwortlichen Gehör findet, damit sich die dramatische Situation in unseren Einrichtungen zum Wohle der Kinder und der Mitarbeitenden zeitnah verbessert.“

 

 

Haben sich als Fachberatungen der Kitas im Kirchenkreis an einem Brief an den Spitzenverband beteiligt (von links): Hildegard Neuhaus-Schäfer, Charlotte Bierkamp und Diana Junker-Thiemann.