Der Mann ohne Schatten

Erstellt am 22.12.2021

Von Klaus Bunte

Soest. Kulturveranstaltungen haben es schwer dieser Tage. Erst recht, wenn es sich um anspruchsvolle, schwere Kost handelt und man an der übersichtlichen Ankündigung schwer ablesen kann, was einen da überhaupt erwartet. So verwundert es nicht, dass das Kölner „Ensemble Integral“ mit seinem Gastspiel nur rund 60 Zuschauer nach Neu St. Thomä lockte – an zwei Abenden, wohl gemerkt. Angekündigt war ein Stück nach Motiven des Märchens „Der Schatten“ von Hans Christian Andersen sowie nach C. G. Jung – was der berühmte Psychologe und seine Thesen damit zu tun hatten, erkannte vermutlich nur ein Fachpublikum.

Bindeglied zu Soest war eine der fünf Darstellerinnen, die Soesterin Jennifer Tilesi Silke, seit 2020 Teil der Gruppe. Für das Stück entfernte die Gemeinde die Hälfte der Kirchenbänke, siedelte die Bühne in der Mitte des Raumes an, das Publikum nahm (corona-bedingt maskiert) Platz vor dem Altar.

Regisseurin Irina Miller verfolgt einen interessanten Ansatz, der es aber schwer macht, der Handlung zu folgen und unmöglich macht, Empathie mit den Figuren zu entwickeln. Sie nimmt die Geschichte von einem Mann, der seinen Schatten verliert, der daraufhin ein Eigenleben entwickelt und als seine Nemesis schließlich seinen Platz einnimmt, zum Anlass, das Stück im Prinzip komplett als Schattentheater aufzubauen. Sprich, zum Teil agieren die fünf Darsteller hinter einer weißen Leinwand und nutzen die Möglichkeiten, die die Entfernung zwischen Laken, Darstellern und Scheinwerfern bieten, geschickt, um mit unterschiedlichen Größen zu spielen.

Allerdings agiert das Quintett auch vor der Leinwand durchgängig wie jene Figuren aus Karton, die, an Stäben geführt, im klassischen Schattenspiel eingesetzt werden. Heraus kommt dabei natürlich eine sehr künstliche, um nicht zu sagen, gekünstelte Form extrem stark akzentuierter Bewegung und ein entsprechend unrealistisches Spiel. Die bremst das Stück auch aus, obwohl zugleich alle fünf hohen physischen Einsatz, höchste Körperspannung und einige auch wunderbare Gesangsstimmen aufbieten. Hinzu kommt, dass der Hall in der jahrhundertealten Kirche allerhöchste Konzentration der Zuschauer erfordert.

Für Miller und ihre Mitstreiter waren dies die letzten Auftritt in diesem Jahr, „und es freut mich, dass wir sie hier in Soest hatten. Denn so herzlich wie hier wird man selten aufgenommen“, so die Regisseurin am Ende des zweiten Abends.

 

Jennifer Tilesi Silke (im sandfarbenen Kleid) stammt aus Soest und hatte mit ihrem Auftritt in Neu St. Thomä quasi ein Heimspiel. Fotos: Klaus Bunte

Gemeinsam mit Asta Nechajute, Burak Temir, Dimitri Lermann und Georgios Markou agierte sie in dem Stück „Der Schatten“.