Integration kann man nicht erzwingen

Erstellt am 14.01.2022

Soest-Arnsberg. Ekaterina Kalaitzidou muss es wissen. Schließlich hat sie auch einmal auf der anderen Seite des Schreibtisches gesessen, als sie als junges Mädchen aus Griechenland nach Deutschland kam und alles fremd für sie war. Das liegt über vierzig Jahre zurück. Inzwischen ist sie bei der Migrationsberatung der Diakonie Ruhr-Hellweg tätig, berät Flüchtlinge und hilft ihnen, fern der Heimat Fuß zu fassen.

„Integration kann man nicht erzwingen; dafür braucht man Geduld. Bei mir hat es fast dreißig Jahre gedauert, bis ich das Gefühl hatte, angekommen zu sein“, sagte sie bei der Vorstellung einer Forschungsarbeit von  zwei Studentinnen der Fachhochschule in Bethel, die sich in enger Abstimmung und Koordination mit der Flüchtlingshilfe im Kirchenkreis mit dem Thema „5 Jahre nach der Flucht 2016 bis 2021“ beschäftigt haben.

Seit dem Frühjahr haben Melina Ens und Melanie Drechsel Ehrenamtliche und Geflüchtete befragt und diese Ergebnisse im Kirchenkreis präsentiert. „Ein total spannendes Thema und eine wertvolle Hilfe für unsere Arbeit“, urteilte Diakonie-Pfarrer Peter Sinn.

Eine wesentliche Erkenntnis der beiden Studentinnen: „Ohne Ehrenamt gibt es keine erfolgsreiche Flüchtlingsarbeit. Nur dadurch sei es  möglich, einander besser kennen zu lernen und gegenseitige Vorurteile abzubauen. Heinz Drucks von der Flüchtlingsberatung der Diakonie weiß aber auch: „Das ehrenamtliche Engagement hat in den letzten Jahren sehr stark abgenommen.“

Im Jahr 2015, als die Flüchtlings-Thematik das beherrschende Thema überhaupt in der Gesellschaft war, war die Motivation, sich ehrenamtlich in der Betreuung geflüchteter Menschen zu engagieren, ungleich höher, hatten die verschiedenen ehrenamtlichen Unterstützungsgruppen einen starken Zulauf. „Davon“, so Drucks „sind wir heute weit entfernt.“

Gründe für diesen Wandel gibt es viele: Zum einen ist das Thema Flüchtlinge bei weitem nicht mehr so präsent in der öffentlichen Wahrnehmung. Das liegt auch an einem deutlichen Rückgang der Zahlen. Wurden etwa 2015 noch fast 900.000 Schutzsuchende vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge registriert, so waren es 2020 mal gerade noch 122.000 Anträge, die auf Gewährung von Asyl gestellt wurden. Hinzu kommt, dass viele Ehrenamtliche von der Arbeit und der Auseinandersetzung mit einer ausufernden Bürokratie genervt sind und enttäuscht das Handtuch geworfen haben.

Eine Entwicklung, die ein Fachmann wie Heinz Drucks mehr als bedauert: „Der Integrationsprozess endet ja nicht etwa einfach irgendwann. Das ist ein ständiger Prozess, der dauerhafte Unterstützung braucht.“

Das belegen auch die Antworten der Geflüchteten, die von Ens und Drechsel interviewt worden sind. Der überwiegende Teil der Befragten sehnt sich nach mehr Kontakten und Austausch mit Einheimischen. „Da gibt es einen großen Bedarf“, wissen die Studentinnen. „Deshalb müssen die Angebote zur Teilhabe weiter gepflegt und ausgebaut werden.“

Im Evangelischen Kirchenkreis und auf Ebene der Diakonie will man die Ergebnisse der studentischen Forschungsarbeit nun intensiv aufarbeiten und dadurch die eigene Arbeit in der ehrenamtlichen Flüchtlingsarbeit schärfen und anpassen. (Lim)

Zwei Studentinnen aus Bielefeld haben sich mit der Situation Geflüchteter im Kirchenkreis beschäftigt. Eine der Fragen: Sind sie wirklich willkommen?