Maßarbeit am Maßwerk

Erstellt am 16.07.2021

Passt, wackelt nicht und hat keine Luft: Jonathan Schulze, Stefan Stubenhofer und Thomas Tießke setzen das maßgeschneiderte Maßwerk ins Südostfenster des Nordturm sein. Foto: Dahm

Von Klaus Bunte

Soest.  „Die Pandemie hatte keine Auswirkungen auf die Arbeiten an der Wiesenkirche“, lautet eine der frohen Botschaften, die Jürgen Prigl vermelden kann. Als Dombaumeister ist er zwar seit zwei Jahren im Ruhestand, als zweiter Vorsitzender des Dombauhüttenvereins und als Mitglied des Kuratoriums ist er dem Projekt jedoch nach wie vor extrem stark verbunden.

Dass Corona dem Jahrhundertprojekt, der Sanierung von St. Maria zur Wiese, nichts anhaben konnte, verwundert nicht wirklich: Wer dauernd in Steinstaub gehüllt wird, ist es gewohnt, mit Maske zu arbeiten, hier tun die Steinmetze dies ohnehin in einer sehr überschaubaren Gruppe und obendrein viel im Freien und in luftiger Höhe. Prigl: „Die Wiesenkirche hat selbst Pest und Cholera überlebt, da wird sie auch Corona überstehen.“

Einen weiteren Meilensteinen setzte die Gruppe rund um Dombaumeister Gunther Rohrberg und Steinmetzmeister Stefan Stubenhofer vor kurzem im Nordturm ein: Nämlich die filigran gearbeitete Einfassung des Fensters, ein sogenanntes „Maßwerk“. Allerdings hat der Turm acht Seiten, und das Südostfenster ist erst das zweite, dessen Maßwerk ausgetauscht werden konnte.

„Dafür ist der Helmgiebel der letzte große Bauabschnitt am Nordturm, und ich bin mir sicher, dass der Turm wie geplant bis 2025/2026 fertig wird“, zeigt sich Prigl optimistisch.

Ein Grund für diese positive Haltung ist auch die gesicherte Finanzierung. Die Landesregierung hat für „wichtige Bauwerke“ wie die Wiesenkirche einen gesonderten Etat in den Haushalt eingestellt. Wie wichtig das Gotteshaus ist, bewies letztlich der zwischenstaatliche Ausschuss der Unesco, der das Bauhüttenwesen als immaterielles Kulturgut anerkannt hat – auf nationaler Ebene bereits im Sommer 2018, die weltweite Anerkennung folgte im vergangenen Dezember.

Durch die gesicherte Finanzierung können die Mitarbeiter in den vier nordrhein-westfälischen Bauhütten in Soest, Aachen, Köln und Xanten nicht nur viel ruhiger schlafen, sondern auch an die Arbeit gehen, berichtet Prigl: „Zuvor war es ja immer geradezu dramatisch, immer nur von einem Jahr aufs nächste planen zu können und sich sorgen zu müssen, ob es überhaupt weitergeht. Solange wir uns die avisierten Ziele erfüllen, wovon ich ausgehe, wird die Restaurierung der Wiesenkirche auch ausfinanziert werden. Diese Sicherheit macht sich jetzt auch sehr positiv im Arbeitsklima bemerkbar.“

Seine frühere Arbeit teilen sich heute Rohrberg und Stubenhofer – aus Prigls Sicht eine gute Entscheidung, denn „mit Gunther Rohrberg haben wir einen genialen Statiker an Bord, für unser Bauwerk ist er ein Segen.“ Dessen diesbezügliche Fähigkeiten seien gerade jetzt sehr gefordert, da aus eben jenen statischen Gründen immer nur eines der acht Fenster im Nordturm behandelt werden kann und parallel die Sicherungsarbeiten am Südportal laufen, „denn die Risse nach außen sind höchst dramatisch“, sieht Prigl hier keine Möglichkeit für zeitlichen Aufschub. „Diese statischen Berechnungen könnte ich gar nicht liefern“, sieht er vor seinem Nachfolger den Hut oder vielmehr die Schiebermütze.

Nach 2025 steht das Traufgesimse auf der Tagesordnung, „da wurde bei Ausbesserungsarbeiten zwischen 1928 und 1932 viel gemurkst, förmlich gekleistert“, will Prigl alsbald eine Bausünde aus einer auch sonst sehr dunklen Zeit aus der Welt geschafft bekommen.