Aufbruch zu neuen Ufern

Erstellt am 03.03.2023

Lippstadt trennt sich von vier Kirchengebäuden / Eigenes Profil für die Zukunft schärfen

Wollen die Kirchengemeinde Lippstadt zukunftsfähig machen (von links): Presbyter Wilfried Schleicher, Vorsitzender Alexander Tschense und Pfarrer Dr. Roland Hosselmann. Fotos: Hans-Albert Limbrock

 

Von Hans-Albert Limbrock

Lippstadt. Der Trend ist im Moment nicht der Freund der Kirchen, denn der Trend kennt vor allem nur eine Richtung: abwärts. Kirchenaustritte – in Lippstadt waren es im vergangenen Jahr 223 -, damit einhergehende Rückgänge bei den Kirchensteuern und immer weniger Frauen und Männer, die Pfarrerin oder Pfarrer werden wollen, sind die Gründe. Diesem Trend kann sich auch die Kirchengemeinde Lippstadt, mit über 12.000 Gemeindegliedern die größte im Verbund des Kirchenkreises Soest-Arnsberg (knapp 100.000 Gemeindeglieder), nicht verschließen.

Mit der „Agenda 23“ haben die Verantwortlichen schon vor drei Jahren eine Diskussion angeschoben, die vor allem ein Ziel hatte und hat: Die Kirchengemeinde will in den wesentlichen Fragen handlungsfähig bleiben, um so selbstbestimmt die Zukunft zu gestalten. Dieser Ansatz hat nun erste, weitreichende Konsequenzen, denn man wird sich bis zum Anfang des kommenden Jahres von gleich drei Kirchen und einem Gemeindezentrum trennen

Die Christophoruskirche in Lipperbruch, die Friedenskirche in Bad Waldliesborn und die Lukaskirche in Hörste stehen damit ebenso zur Disposition wie das Gemeindezentrum „Im Brühl“ in Benninghausen. Diese Streichliste, so versicherten Presbyteriumsvorsitzender Alexander Tschense und Pfarrer Dr. Roland Hosselmann bei einem Pressegespräch, sei alternativlos.

Minus im Haushaltsjahr

„Wir stehen als Kirche vor großen Herausforderungen“, so Tschense, „wir werden Gebäude aufgeben. Das wird schmerzhaft sein.“ Die finanziellen Herausforderungen, vor denen die Gemeinde stehe, seien immens und allein durch Einsparungen nicht zu bewältigen. Schon im vergangenen Jahr habe man das Haushaltsjahr mit einem Minus abgeschlossen. „Eine Vermarktung der stillgelegten Gebäude wird daher diskutiert.“ Noch aber gebe es dazu keine konkreten Pläne, wie Tschense versicherte: „Da stehen wir ganz am Anfang.“

Bei den Gemeindegliedern stoßen die grundsätzlichen Überlegungen nur zum Teil auf Verständnis, Beifall dafür gab es aber verständlicherweise nur wenig. Im Gegenteil: Bei der Gemeindeversammlung machten einige ihrem Unverständnis Luft und kritisierte die Vorhaben heftig. Vor allem einige Gruppen, die nun keinen Treffpunkt mehr haben, fühlen sich allein gelassen und in dem Entscheidungsprozess nicht ausreichend mitgenommen und gehört.

Künftig soll sich das Gemeindeleben in Lippstadt und der dazu gehörigen Umgebung auf Marienkirche, Jakobikirche, Johanneskirche und Stift Cappel konzentrieren. Diskutiert wird außerdem über die Zukunft der Brüderkirche. Aber auch dort stehe man noch am Anfang und prüfe alle Chancen und Möglichkeiten. Auch die Zukunft der Schlosskapelle in Overhagen, die erst vor wenigen Jahren umfangreich restauriert wurde, ist aktuell von all diesen Überlegungen ausgenommen.

Auf junge Familien zugehen

Parallel zur Aufgabe von Gebäuden soll auf der anderen Seite gleichzeitig das eigene Profil als Kirchengemeinde geschärft werden. Dazu habe man bereits in der jüngeren Vergangenheit zahlreiche Maßnahmen eingeleitet und inzwischen erfolgreich auf den Weg gebracht. Unter anderem nannte Tschense das Projekt „Vorne anfangen“, mit dem man erfolgreich auf junge Familien zugehe. Auch die neue Konfirmandenzeit, für die ein/eine Diakon:in eingestellt werden soll, gehören ebenso in diesen Kanon wie ein weiteres Vorhaben: „demnächsten.jetzt“. Hiermit soll das diakonische Handeln ebenso gestärkt werden wie die Kooperation mit der KIA, die Mahlzeit, die Schulmaterialienkammer, „Kreuz und Quer“ sowie der Jugendtreff Shalom und die Arbeit im Diakonieausschuss.

Hinzu komme noch die Kirchenmusik und die pastorale Versorgung, wenngleich dies ab Dezember, wenn das Pfarrerehepaar Lilo und Christoph Peters in den Ruhestand geht, auch nicht gerade leichter wird.

Alexander Tschense: „Ob der Schritt mutig oder verzweifelt ist, den die Evangelische Kirchengemeinde nun geht, wird sich vermutlich erst im Nachhinein zeigen. Konsequent sind die Entscheidungen der vieldiskutierten Agenda 23 auf jeden Fall. Die Kirchengemeinde wird ihre Arbeit darauf ausrichten, Menschen neu für den Glauben zu begeistern.“

Und auch Pfarrer Thomas Hartmann hofft, dass die beschlossenen Einschnitte und Veränderungen Früchte tragen: „Ob Vorne Anfangen, die neue Konfirmandenzeit und die Neustrukturierung der Gottesdienste zum Erfolg führen werden, ist ungewiss. Sicher ist, dass wir ohne Veränderungen dem Trend der kirchlichen Entfremdung nichts entgegenzusetzen haben.“

Diese drei Kirchen in Hörste, Bad Waldliesborn und Lipperbruch sowie das Gemeindezentrum in Benninghausen werden zum kommenden Jahr hin aufgegeben.