Breiter Schulterschluss zur Klimarettung Quer durch alle Generationen formulieren 2300 Menschen auf dem Soester Marktplatz ihre Sorge um die Zukunft von Mutter Erde

Erstellt am 26.09.2019

Von Hans-Albert Limbrock

SOEST: Klar, am Anfang wurden sie belächelt. Dann wurden sie als Schulschwänzer diffamiert; fast schon kriminalisiert. Seit fast einem Jahr machen Kinder und Jugendliche ihrer Sorge um die Zukunft des Planeten Erde regelmäßig lautstark Luft. Längst ist „Fridays for Future“ mehr als nur ein vorübergehendes Phänomen.

Und längst sind es nicht mehr nur junge Menschen, die auf die Straße gehen und skandieren: „Wir sind hier. Wir sind laut. Weil ihr uns die Zukunft klaut!“ Vielmehr ist eine Protestbewegung entstanden, die quer durch alle Generationen, quer durch alle Schichten und quer durch alle (nun ja: fast alle) politischen Schichten verläuft.

Das wurde auch beim „Klimastreik“ auf dem Soester Marktplatz mehr als deutlich. „Um die 1000“ hatten die Veranstalter erwartet. Am Ende waren es mehr als doppelt so viele Menschen, die erst auf dem Markt zusammenkamen und dann in einem beinahe nicht enden wollenden  Menschenzug durch die Innenstadt zum Bahnhof zogen.

„Es ist wahnsinnig toll, dass so viele für unsere Zukunft auf die Straße gehen“, begrüßte Joscha Ellersiek von der Soester „Fridays-Gruppe“ die Protestler.

Einer, der sich seit Jahren  mit der sich abzeichnenden Klimakatastrophe beschäftigt ist der Soester Wissenschaftler Dr. Udo Engelhardt. „Heute passiert hier was Großartiges“, lobte der renommierte Meeresbiologe das Engagement der Klimastreikenden, „heute passiert hier ein Schulterschluss quer durch alle Generationen. Das habt ihr von Fridays for Future ausgelöst.“

Engelhardt hat die Hoffnung, dass es einen „gesellschaftlichen Kipppunkt“ gibt, mit dem der Klima-Kipppunkt vielleicht noch gestoppt werden kann. Mit Maßnahmen wie dem von der Bundesregierung beschlossenen Klimaschutzpaket sei das allerdings nicht zu erreichen: „Das ist kein Klimaschutzpaket. Das ist Verarsche.“

Deshalb müsse der gesellschaftliche Druck auf breiter Basis hochgehalten werden. „Wir fordern“, so Dr. Engelhardt, „Schnellmaßnahmen, die sofort helfen. Wenn man jetzt verantwortungsvoll handelt, können wir es noch schaffen.“

Das sieht auch Lea Leisner von Fridays for Future Soest so: „Unsere aller Existenz ist massiv bedroht. Wir brauchen jetzt radikale Klimaschutz-Maßnahmen. Zusammen haben wir mehr Macht als wir denken.“ Und sie versprach: Wir haben einen langen Atem und treten den Leuten immer wieder auf die Füße.“

Nach gemeinsam skandierten Protestrufen, Gedichten und Musik zogen die 2300 durch die Fußgängerzone und schwenkten dabei auch ihre bunten Plakate und Banner, auf denen sie phantasievoll ihren Protest, aber auch ihre Sorgen und Zukunftsängste formuliert hatten. Beispiel gefällig?  „Die Erde kocht vor Wut“, „Macht ihr eure Hausaufgaben – dann machen wir auch unsere“, „Erst wenn der letzte Baum gefällt ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann“.

Im Vorfeld hatte sich auch Annette Kurschus, die Präses der Landeskirche, mit dem Klimastreik solidarisiert: „Jetzt ist Zeit zu handeln! Noch ist Zeit. Höchste Zeit zum Aufhorchen und Umdenken. Heute unterbrechen wir demonstrativ unseren Alltag und setzen gemeinsam ein Zeichen – für das Leben, das Gott schuf und vollendet und das er unserer Liebe und Fürsorge anvertraut.“ Kurschus rief zu einer Änderung der Politik und des persönlichen Verhaltens auf.

Die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V. unterstützte die globalen Klimaaktionen am ebenfalls. Daher wurde die Freistellung von Mitarbeiter*innen für die Teilnahme an der Soester Veranstaltung auf dem Soester Marktplatz befürwortet. Mehr als 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Einrichtungen sowie Schülerinnen und Schüler des Soester Fachseminars für Altenpflege beteiligten sich ebenso wie Mitarbeiter aus dem Kreiskirchenamt mit Superintendent Dieter Tometten an der Spitze.

Und nach diesem Aktionstag sollte nicht wieder zum Alltag zurückgekehrt werden, lautet die Botschaft auch in Soest: „Soest, Deutschland, der Planet – sie alle brauchen nichts anderes als einen echten Paradigmenwechsel: Nicht mehr die Wirtschaft und das Soziale, sondern die Umwelt und das Klima müss(t)en ab sofort bei allen Entscheidungen Priorität genießen. Denn welchen Nutzen haben Vollbeschäftigung, Wohlstand und soziale Sicherheit, wenn der Planet im Fieber liegt – mit allen bereits prognostizierten Folgen: Ernteeinbußen, Extremwetter, Wasserknappheit – und in der Folge Massenflucht, gesellschaftlicher Destabilisierung, drohenden Kriegen um die verbleibenden Ressourcen?“

 

Umweltaktivist Klaus Schmedtmann bläst zur Attacke für ein besseres Klima.

2300 Menschen folgten dem Protestaufruf und kamen auf den Soester Marktplatz.

Dr. Udo Engelhardt ist Meeresbiologe und Klimaforscher.

Durch die Fußgängerzone zog der Protestzug.