Gegen Gewalt und Diskriminierung / Unter Leitung von Gerd Weimar wird das Oratorium „A Child of our time“ aufgeführt

Erstellt am 28.10.2019

Von Hans-Albert Limbrock.

ARNSBERG/MESCHEDE. Er war gerade mal 17 Jahr alt, als er in den Lauf der Geschichte eingriff. Vollkommen verzweifelt über die Deportation seiner Eltern hat Herschel Grynszpan am 7. November 1938 den deutschen Botschaftssekretär in Paris getötet. Diese Tat des Gymnasiasten aus Hannover nahmen die Nazis zum Anlass, Deutschland mit einer zuvor nie dagewesenen Welle antisemitischer Gewalt und blutiger Ausschreitungen zu überziehen. Die Barbarei erreichte schließlich am 9. November mit der „Reichskristallnacht“ ihren Menschen verachtenden Höhepunkt.

Diese Geschehnisse hat der britische Komponist Michael Tippett in seinem Oratorium „A Child of our time“ aufgearbeitet. In der Abtei Königsmünster werden am 17. November ein 100köpfiger Projektchor des Evangelischen Kirchenkreises Soest-Arnsberg unter Leitung von Kirchenmusikdirektor Gerd Weimar mit Unterstützung des Philharmonischen Orchesters Hagen sowie des Teatron-Theaters Arnsberg das komplexe und tiefgründige Werk aufführen.

„Mit seinem Oratorium“, so Dramaturgin Ursula Almagor vom Teatron-Theater, „schuf Tippett in den Jahren 1939 bis 1941 einen eindringlichen Appell für Demokratie und Freiheit und gegen Diskriminierung, Gewalt und Krieg.“

Bereits seit Monaten wird intensiv in Arnsberg und Meschede geprobt. Gerd Weimar, der die Idee zu diesem Projekt hatte, verspricht „ein Crossover-Musikereignis, wie es die Musikwelt so noch nicht erlebt hat. Es wird ein ganz außergewöhnliches Konzert werden.“

Vor allem die Zusammenarbeit mit dem Teatron-Theater verleiht dem Oratorium einen vollkommen neue Dimension, die es so bisher noch nicht gegeben hat. „A Child of our time erzählt von der Verantwortung des Einzelnen und der Rolle der Gesellschaft, von Grausamkeit und Unterdrückung, von der Macht einer Menschenmasse, von den dunklen und hellen Seiten in uns“, erläutert der Kirchenmusikdirektor.

Dieser Spagat spiegelt sich auch in der Musik des nur selten aufgeführten Oratoriums wider. Dazu Gerd Weimar: „Tippetts Musik wühlt auf, ist aufbrausend und beruhigend, macht wach, aber auch nachdenklich.“

Das Teatron-Theater hat für die Aufführung einige Theaterszenen entwickelt, die in das Oratorium eingefügt und mit Auszügen aus zeitgenössischen Veröffentlichungen ergänzt werden. So stehen Textpassagen aus dem Tagebuch der Anne Frank den leidenschaftlichen Aufrufen der Sophie Scholl gegenüber, die in Flugblättern der „Weißen Rose“ zum Widerstand gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft aufrief und dafür mit ihrem Leben bezahlte.

Ursula Almagor: „Die Multiperspektivität dieser Text-Collage macht deutlich, wie vielschichtig und wie aktuell die Frage nach der Entstehung von Gewalt und Diskriminierung ist – und sie kommt ohne erhobenen Zeigefinger daher.“

Das Projekt wird mit Mitteln des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW sowie dem Hochsauerlandkreis, der Stadt Meschede, der Bürgerstiftung Arnsberg und der Stiftung Kirchenmusik gefördert. Karten für die Aufführung, die am 17. November um 19 Uhr  in der Abtei Königsmünster Meschede beginnt, gibt es im Vorverkauf unter ticketsdontospamme@gowaway.meschede.de sowie in der Tourist-Info-Meschede, der Abtei Königsmünster und der Buchhandlung Vieth in Arnsberg.

Das Konzert bildet den Abschluss der Veranstaltungsreihe „Gewalt überwinden – Vielfalt FAIRbindet“ des Ev. Kirchenkreises Soest-Arnsberg.

Gemeinsam mit Yehuda und Ursula Almagor hat Kirchenmusikdirektor Gerd Weimar die Szenen für das Oratorium „A Child of our time“ entwickelt. Foto: privat

Herschel Grynszpan hat am 7. November 1938 den deutschen Botschaftssekretär in Paris erschossen und damit eine Welle antisemitischer Gewalt in Deutschland ausgelöst.