Skurriles vom Leben hinter Gittern

Erstellt am 31.10.2019

Von Klaus Bunte

SOEST. Kurz vor seinem Auftritt macht sich Joe Bausch fast selber strafbar – da lässt er nämlich etwas mitgehen, wenngleich unbewusst. Auf dem Weg zur Bühne verheddert sich ein Schultergurt seines Rucksacks in einem Krückstock, der an einem Rollator im Gang lehnt, und er schleppt ihn wenige Meter mit. So kassiert er schon den ersten Lacher, bevor er überhaupt auf der Bühne steht.

Dass das Hospiz für seine Benefizlesung mit dem früheren Werler Knastarzt, der in der Rolle des Gerichtsmediziners im Kölner Tatort Berühmtheit erlangte und seither nach eigener Aussage in jeder deutschen Talkshow mindestens einmal auftrat, aufs richtige Pferd gesetzt hat, beweist allein der Andrang: mit 230 verkauften Karten ist der Blaue Saal ausverkauft. Diese Zahl mal 22 Euro pro Ticket plus Erlös aus dem Getränkeverkauf abzüglich Spesen wie Saalmiete und Technik: Der Abend hat sich für das Hospiz gelohnt.

Aber nicht nur fürs Hospiz, auch für die Zuhörer. Haben Autorenlesungen oft den Makel, dass da 60 Minuten lang jemand liest, der es weder so recht will noch kann, ist es bei Bausch anders. Die Schauspiel- und sonstige Fernseherfahrung kommen ihm dabei natürlich zugute. Mehr noch: Als Lesung kann man den Abend kaum bezeichnen, in nur wenigen der 105 Minuten steckt der die Nase wirklich in seine beiden Bücher. Vielmehr redet er frei und sehr viel mit den Händen, nimmt die ganze Bühne in Beschlag.

Einen Bezug zu seinen Gastgebern stellt her, wenn er davon spricht, dass Schwerstkriminelle im Knast sterben, sei es, weil sie lebenslänglich sitzen oder selbst todkrank noch zu gefährlich sind, um auf die Menschheit losgelassen zu werden. Oder weil sie sich nicht behandeln lassen wollen, da sie den Krebstod weiteren Jahrzehnten hinter Gittern vorziehen, sich quasi selber zum Tode verurteilen.

Doch die meiste Zeit erspart Bausch seinem Publikum die wirklich harten Fälle, in denen sein Klientel andere Menschen auf grausamste Weise und aus niedrigsten Beweggründen ins Jenseits befördert haben. Er pickt an diesem Abend skurrile Fälle heraus, wie den des ewigen Querulanten, der mal einen „Hammer zum Zeit Totschlagen“ beantragte, dann 72 Millionen erbte, davon die besten Anwälte anheuerte, tatsächlich frei kam und sich heute als Immobilienbesitzer mit jenem Pack herumschlagen muss, zu denen er selber einst zählte. Oder von dem des betagten Einbecher-Trios, das wieder auf Achse ging und bald wieder komplett hinter schwedischen Gardinen landete.

 

„Ihre Lesung war ein Volltreffer, deshalb gibt es zum Dank ein Tor“, verabschiedete Felix Staffehl von der Johanniter-Geschäftsführung Joe Bausch mit einem Gemälde, das das Osthofentor im Pop-Art-Sechsfach-Stil eines Andy Warhol zeigt. 

Wenn Joe Bausch „liest“ – dann ist das Entertainment pur. So auch bei der Veranstaltung für das Soester Hospiz. Foto: Klaus Bunte