1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland

Herzlich willkommen / ברוכים הבאים

auf der Seite des Arbeitsbereichs „Judentum“ im Evangelischen Kirchenkreis Soest-Arnsberg!
Hier finden Sie Hinweise auf Aktivitäten im Evangelischen Kirchenkreis Soest-Arnsberg, die mit dem Thema „Judentum“ zu tun haben, und interessante Links zum Thema.
Im Jubiläumsjahr „321-2021“ - 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ (aber auch sonst) gibt es da vieles zu entdecken.

 

Es ist unbestreitbar, dass das Christentum mit all seinen Ausprägungen seine Wurzeln im Judentum hat, das mindestens ebenso vielfältig ist.

Der Apostel Paulus hat in seinem Brief an die Christengemeinde in Rom geschrieben:

„Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich.“

Dieses nicht zu vergessen ist wichtig.

Auf der Homepage der Evangelischen Kirche von Westfalen heißt es:

„Es gehört zum Selbstverständnis unserer Kirche, im Dialog mit jüdischen Gemeinden und ihren Menschen zu sein. Das wiederum hat vielfache Rückwirkung auch auf unser eigenes Selbstverständnis. Der christlich-jüdische Dialog gehört also ganz in das Zentrum unserer Kirche.“

Das gilt natürlich auch für den Kirchenkreis Soest-Arnsberg.

Und deshalb gibt es hier auch eine Synodalbeauftragung für den Bereich „Christen und Juden“.

Auf dem Territorium des weitläufigen Kirchenkreises befindet sich allerdings aktuell kein Zentrum einer jüdischen Gemeinde. Alle jüdischen Gemeinden, die hier zum Beispiel in Arnsberg, Lippstadt, Meschede, Soest und Werl, aber auch als kleine Landgemeinden bestanden hatten, verschwanden spätestens mit der Judenverfolgung der Nazi-Zeit. Nach der Schoa wurden die Gemeinden nicht wiedergegründet. Einige wenige frühere Synagogengebäude haben die Nazi-Zeit überstanden und zeugen von früherem jüdischem Leben. Vor allem aber etliche jüdische Friedhöfe erinnern an die Juden, die in der Hellwegzone und im Sauerland lebten.

Das Gebiet des Kirchenkreises Soest-Arnsberg umfasst heute die Einzugsbereiche von drei jüdischen Gemeinden:

Jüdische Kultusgemeinde Groß-Dortmund

Jüdische Kultusgemeinde Paderborn

Jüdische Gemeinde haKochaw für den Kreis Unna

 

„Judentum“ - das Judentum gibt es nicht.

„Judentum“ - das bedeutet Vielfalt.

„Judentum“ - das sind Millionen von Facetten.

 

Schalom / שלום

 

Spuren jüdischen Lebens

Die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde HaKochaw Unna, Alexandra Khariakova, mit Pfarrer Dietmar Schorstein aus dem Evangelischen Kirchenkreis Soest-Arnsberg. Foto: Kathrin Koppe-Bäumer

Sauerland. Als drittes Angebot der Region 8 im Evangelischen Kirchenkreis Soest-Arnsberg aus Anlass von 1700 Jahren jüdischen Lebens in Deutschland gab es eine Exkursion zu einer sehr lebendigen jüdischen Gemeinde in unserer Nähe. Nach den vielen Zeugnissen der jüdischen Vergangenheit (Friedhöfe, ehemalige Synagogen im östlichen Hochsauerland) gab es die Begegnung mit Jüdinnen und Juden, die heute in Deutschland leben.

Weil im Hochsauerlandkreis aktuell keine jüdische Gemeinde zu Hause ist, musste etwas weiter gefahren werden. Das Ziel des Besuches lag nahe der Grenze zur Stadt Dortmund. Auf dem Gebiet des ehemaligen „Durchgangslagers Unna-Massen“ für Vertriebene und Flüchtlinge hat die jüdische Gemeinde HaKochaw (deutsch: „der Stern“) eine frühere evangelische Kirche zu einer Synagoge umgestaltet. Die Mitglieder der Gemeinde bzw. ihre Vorfahren stammen größtenteils aus der ehemaligen Sowjetunion.

Leider konnte die Rabbinerin, die in der Gemeinde tätig ist, nicht zum Schabbat-Beginn, den die jüdische Gemeinde mit ihren nichtjüdischen Gästen feierte, anwesend sein. Aber die Vorsitzende der Gemeinde, Alexandra Khariakova, gab vor dem Gottesdienst eine ausführliche Einführung in das Gemeindeleben, jüdische Feiertage, Riten und Gebräuche, aber auch die Geschichte der Gemeinde und die Symbolsprache der Synagoge. Die Gemeinde in Unna ist eine liberale Gemeinde, in der Männer und Frauen gleichermaßen das Gemeindeleben und die Gottesdienste gestalten. Daher ist es auch möglich, dass dort eine Rabbinerin tätig ist.

Nach dem beeindruckenden Gottesdienst waren die Gäste noch zum Gemeinde-„Kiddusch“ eingeladen. Die „Challa“, das Schabbat-Brot, wurde geteilt und gemeinsam gegessen - und es wurde angestoßen mit dem frohen Gruß „Schabbat Schalom“. Beim „Borschtsch“ und anderen Köstlichkeiten waren noch einmal die Wurzeln vieler Gemeindemitglieder in der ehemaligen Sowjetunion zu erkennen.

Pfarrer Schorstein, der gemeinsam mit Pfarrerin Koppe-Bäumer die Fahrt organisiert hatte, bedankte sich herzlich bei den Gastgebern für einen sehr interessanten Nachmittag und Abend und für die große Gastfreundschaft. Es war gut zu erleben, wie jüdisches Leben in Deutschland auch nach über 1700 Jahren präsent ist. Allerdings ist es ein Skandal, dass im 21. Jahrhundert jüdische Einrichtungen und jüdisches Leben in Deutschland aus guten Gründen (siehe Halle) immer noch stark bewacht werden müssen. Möge das bald der Geschichte angehören!

Links

  • „Ein Lächeln vielleicht - oder eine Träne“:

    unter dieser Überschrift ist in der Petri-Kirche und im Ardey-Gemeindehaus ein Video entstanden. Christian Casdorff erinnert mit dem Video an die jüdische Schriftstellerin Josefa Metz, die vor 150 Jahren in Minden geboren wurde und in Bielefeld aufwuchs. Sie wollte eigentlich Malerin werden, schrieb dann aber für Kinder und Erwachsene in gleicher Tiefe und Leichtigkeit Gedichte, Geschichten und Theaterstücke. Im Februar 1943 ist Josefa Metz im KZ Theresienstadt an den Lagerbedingungen gestorben. Zwischen den Gedichten und Geschichten voller kindlicher Lebensfreude und auch voller Melancholie erklingen kurze Klavierstücke u.a. von Leo Blech, der wegen seiner jüdischen Herkunft nach Schweden emigrierte und dort überlebte. Auch er gehört zum Jahrgang 1871.

    Das Video ist auch ein Beitrag zu dem zu Ende gehenden Gedenkjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“.

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  • 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland: 2021jlid.de 
  • „Ein unvernünftiger Sonnenglanz will nicht mein Herz verlassen“ Eine Erinnerung an den Musiker Louis Lazarus Lewandowski und an den Schriftsteller Hieronymus Lorm zu ihren 200. Geburtstagen: (aus der St.-Pauli-Kirche Soest):  https://www.youtube.com/watch?v=pumOOOtCsjM

Eingebunden ins Bündel des Lebens

Zwei Exkursionen zu ehemaligem jüdischem Leben im Raum Marsberg

Einblick in die Geschichte der eigenen Lebensregion bekommen, sich bewegen und dabei freundliche und interessante Menschen kennenlernen, das hat den Teilnehmenden der Exkursionen zu jüdischen Orten im Marsberger Raum gut gefallen. Pfarrer Dietmar Schorstein und Pfarrerin Kathrin Koppe-Bäumer hatten dazu im Juli eingeladen. Trotz Starkregens in Padberg hörte die Besuchergruppe Anfang Juli gespannt dem Vortrag Norbert Beckers in der ehemaligen Synagoge zu. Der Ortsheimatpfleger arbeitet seit Jahrzehnten die über 300-jährige lokale jüdische Geschichte auf. Besonders viel Energie steckte er in den Erhalt der ehemaligen Synagoge. Sie ist ein schlichtes Fachwerkhaus, das bis 1931 der jüdischen Gemeinde gehörte. Damals haben die wenigen Juden, die noch in Padberg lebten, sie verkauft. Sie wurde zur Lagerscheune eines Dachdeckers. Deshalb wurde sie am 9. November 1938 in der Pogromnacht nicht zerstört. Heute ist die Dorfgemeinschaft stolz, die einzige Fachwerksynagoge in Westfalen präsentieren zu können.

Auf der E-Bike Exkursion standen die jüdischen Friedhöfe in Niedermarsberg, Madfeld, Beringhausen und Obermarsberg auf dem Besichtigungsprogramm. „Im östlichen Sauerland blicken wir zurück auf über 300 Jahre jüdischen Lebens. Leider nur auf Friedhöfen, da es aktuell keine erkennbare jüdische Bevölkerung hier gibt.“, eröffnete Pfarrer Dietmar Schorstein seinen Vortrag auf dem Niedermarsberger Friedhof. Am Zustand und an der Beschriftung der Grabsteine lässt sich ihr Alter und auch der gesellschaftliche Status der Beerdigten ablesen. Auf den ältesten, fast verwitterten, einfach behauenen Steinen stehen hebräische Buchstaben. Die Grabmale des 19. Jahrhunderts sind prächtiger gestaltet, die Inschrift auf der Vorderseite ist in der Regel deutsch, auf der Rückseite stehen hebräische Wörter. Dies belegt die wachsende Integration der Landjuden in Marsberg und Umgebung. Waren sie zunächst aus der Fremde kommende, eher geduldete Außenseiter, die beim Herzog einen Schutzbrief erstanden, waren sie in der Mitte des 19. Jahrhunderts akzeptiert im Dorf.

Die Informationen über jüdisches Leben auf dem Land vom ehemaligen Ortsvorsteher Heinz Bickmann in Madfeld, Norbert Becker in Padberg und Beringhausen und von Pfarrer Dietmar Schorstein an allen Orten brachten Fragen und Erinnerungen hoch. „Wie hätten wir gehandelt, wenn wir in Nazi-Deutschland aufgewachsen wären?“, fragten sich manche Teilnehmer. Andere erinnerten sich an Geschichten ihrer Großeltern und Eltern. Dass wir Verantwortung tragen dafür, dass die Geschichte jüdischen Lebens hier nicht vergessen wird und jüdische Menschen im heutigen Deutschland leben können, das wurde allen Teilnehmenden deutlich. Nur so bleibt Vielfalt bestehen.

 

Text und Bilder: Kathrin Koppe-Bäumer

Ausführlicher Bericht: https://brilon.ekvw.de/

Exkursionen in die Vergangenheit

Das Eingangstor zum jüdischen Friedhof in Niedermarsberg bildet eine Thorarolle nach.

Norbert Becker informiert über die Geschichte der Padberger Synagoge