Für ein konfliktfreies Miteinander

Erstellt am 05.08.2022

In der Flüchtlingsunterkunft am Hiddingser Weg unterstützen Umfeldmanager und Ehrenamtskoordinatorin

Seit dem Frühjahr 2021 heißt es in der Kapelle der ehemaligen Kanaal-van-Wessem-Kaserne: Flüchtlinge sind willkommen. Fotos: Hans-Albert Limbrock

Von Hans-Albert Limbrock

Soest. Das Trafohäuschen, das draußen vor dem Tor zur ehemaligen Kanaal-van-Wessem-Kaserne am Hiddingser Weg steht, ist bunt bemalt und zeigt den Musiker John Lennon vor einem Regenbogen: „All the people living life in Peace“, hat der Graffiti-Künstler aus „Imagine“ - dem wohl bekanntesten Song des Ex-Beatle - zitiert. Für viele der bis zu 1000 Menschen, die hinter den Zäunen des weitläufigen Geländes dort auf Zeit leben, ist genau das der große Wunsch, der sie angetrieben hat, aus ihren Heimatländern zu fliehen: Ein Leben in Frieden und Freiheit zu führen.

Seit knapp sechszehn Monaten werden Menschen in den einstigen Mannschaftsunterkünften des belgischen Militärs untergebracht, die vor Krieg, Bürgerkrieg, Diktatur oder einfach nur weil sie anderes leben, lieben und glauben geflohen sind. Zuvor stand die Kaserne fast ein Vierteljahrhundert leer, nachdem „die Belgier“ Soest als Garnisonsstadt vor der Jahrtausendwende weitgehend verlassen hatten.

In der vergleichsweise kurzen Zeit seit Frühjahr 2021 hat die für fast 40 Millionen Euro vom Land durchsanierte Unterkunft bereits eine recht wechselhafte Geschichte erlebt: Waren es zu Beginn Kinder, Männer und Frauen aus buchstäblich aller Herren Länder, kam im Sommer gleichen Jahres nach der Machtübernahme durch die Taliban eine größere Gruppe afghanischer Evakuierter im Zuge der Evakuierungsflüge. Seit Februar, mit Beginn des russischen Angriffskrieges, waren es wenige Wochen lang vorwiegend Menschen aus der Ukraine. Inzwischen sind die Bewohnerinnen und Bewohner wieder deutlich gemischter.

Positives Feedback aus der Nachbarschaft

Einer, der dies alles von nahezu der ersten Stunde an miterlebt hat, ist Jakob Schulte. Er trägt inzwischen den Titel „Umfeldmanager“ und ist in Diensten der Malteser. Schulte bemüht sich vor allem darum, den Kontakt zu den Bewohnern im Soester Süden zu halten. Bei Problemen ist der Sozialbetreuer, der auch stellvertretende Betreuungsleitung ist, erster Ansprechpartner. Deshalb gibt es eine regelmäßige Sprechstunde, eine offene Mailadresse und einen direkten Handykontakt.

„Zuletzt etwa gab es Beschwerden über die Sauberkeit im Umfeld der Einrichtung“, berichtet Schulte. Im direkten Dialog mit den Bewohnern und Anwohnern versucht er, solche Probleme rasch zu lösen, damit Emotionen nicht unnötig hochkochen: „Das klappt meist ganz gut. Wir bekommen viel positives  Feedback zu unserer Arbeit.“

Noch nicht ganz so lange wie Schulte ist Sabrina Edler dabei. Sie ist als Ehrenamtskoordinatorin tätig. Ihre Aufgabe ist es unter anderem, ehrenamtliche Unterstützung zu gewinnen: „Ohne die würde das hier nicht funktionieren.“

Edler vermittelt zwischen den Angeboten der Ehrenamtlichen und den Bedarfen der Flüchtlinge: „Am Anfang steht die Bedarfsanalyse: Was wird gebraucht? Was ist nötig? Was ist möglich?“ Besonders groß ist der Bedarf an Deutschkursen: „Fast alle haben den Wunsch, möglichst schnell Deutsch zu lernen. Da können wir zum Glück auf schon bestehende Netzwerke zurückgreifen.“ Dadurch gibt es auch zusätzliche soziale Angebote wie Bildungskurse, Sportprogramme, Kochkurse oder auch spezielle Vorschläge für Frauen. „Da befinden wir uns in einem ständigen Austausch mit den Bewohnerinnen und Bewohnern. Was im Rahmen unserer Möglichkeiten machbar ist, machen wir.“, zeigt Edler, dass auch eine gewisse Flexibilität und Dynamik bei der täglichen Arbeit gefragt ist.

Aber Edler und Schulte könnten nicht so erfolgreich arbeiten, wenn dahinter nicht ein ganzes Team stehen würde. „Wir sind ja nur zwei von vielen“, erklärt Schulte. Genaue Zahlen, wie viele Menschen aktuell am Hiddingser Weg leben und wie hoch die Zahl der Betreuer ist, möchte die Bezirksregierung nicht nennen. „Aber ich kann versichern“, so Schulte, dass wir breit aufgestellt sind.“ Zum vielköpfigen Team gehören auch Menschen, die selbst geflüchtet sind. Das hilft nicht nur bei Sprachschwierigkeiten, sondern auch beim besseren Verstehen, was die Flüchtlinge durchgemacht haben und mit welchen Hoffnungen sie ins vermeintlich gelobte Land Deutschland gekommen sind.

Dadurch erfahren Edler und Schulte natürlich immer auch wieder von den individuellen Schicksalen, die die Flucht der Kinder, Frauen und Männer begleitet haben. Schulte: „Solche Geschichten gehen einem natürlich nahe und berühren einen.“ Wichtig, so Edler, sei es dabei, eine gewisse professionelle Distanz zu wahren: „Das braucht man unbedingt. Sonst kann man den Job hier nicht lange machen.“

Zwei von vielen, die in der Landeseinrichtung im Auftrag der Malteser für Geflüchtete da sind: Ehrenamtskoordinatorin Sabrina Edler und Umfeldmager Jakob Schulte.

Ein schöner Traum, den nicht nur John Lennon in seinem Lied Imagine träumt: Alle Menschen leben ihr Leben in Frieden.