Kirchenkreis vor großen Herausforderungen

Erstellt am 30.05.2022

In den nächsten zehn Jahren droht Halbierung der Pfarrstellen / Diskussion um zukunftsfähige Konzepte

Acht Stunden lang tagte die Synode in Oestinghausen. Im Mittelpunkt: der Pfarrstellenplan für die nächsten Jahre. Fotos: Hans-Albert Limbrock

 

Von Hans-Albert Limbrock

Soest-Arnsberg. Zahlen können brutal sein. Zahlen können Illusionen rauben. Und Zahlen können Angst vor der Zukunft machen. Ulf Schlüter, Vizepräsident der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW), präsentierte bei der Sommersynode des Kirchenkreises Soest-Arnsberg solche Zahlen und lieferte damit die Grundlage für intensive Diskussionen, die auch weit nach der Veranstaltung in der Gemeinschaftshalle Oestinghausen weitergeführt werden - weitergeführt werden müssen.

„Wir können uns diesem Thema nicht entziehen“, hatte Superintendent Dr. Manuel Schilling die knapp 150 Synodalen und Gäste gleich zu Beginn darauf vorbereitet, dass auf die Menschen in den 29 Kirchengemeinden im Kirchenkreis Soest-Arnsberg harte Zeiten zukommen. Dafür gibt es viele Gründe. Bereits seit einigen Jahren befinden sich die beiden christlichen Kirchen bei den Mitgliederzahlen nahezu im freien Fall. Dabei ist der Missbrauchsskandal, durch den vor allem die Katholische Kirche in ihren jahrhundertealten Grundmauern erschüttert wird, nur eine von vielen Erklärungen. Zunehmend haben Menschen offenbar auch das Gefühl, dass das Leben ganz gut auch ohne Kirche und Glauben funktioniert.

Für die Evangelische Kirche bedeutet das einen eklatanten Schwund an Gemeindegliedern. Für Soest-Arnsberg etwa, wo aktuell noch knapp 100.000 Männer, Frauen und Kindern registriert sind, die sich zu ihrem evangelischen Glauben bekennen, sehen die Prognosen einen Rückgang auf 85.000 in den nächsten zehn Jahren vor.

„Das“, so Schlüter, „zwingt uns zum Handeln. Wir müssen tragfähige Konzepte für die Zukunft entwickeln. Mit `Nach uns die Sintflut‘ ist es nicht getan.“ Aber es ist nicht nur der Rückgang der Mitglieder, der die Verantwortlichen in Bielefeld und natürlich auch in Soest umtreibt. Vielmehr nimmt auch die Zahl der Pfarrerinnen und Pfarrer dramatisch ab. In den nächsten zehn Jahren erwarten die Experten, die mit dem Zahlenmaterial jonglieren, dass sich die Zahl halbieren wird.

Schlüter: „Im Moment haben wir in der Landeskirche noch 1503 Personen im Pfarrdienst; in zehn Jahren werden das 748 sein.“ Der Vizepräsident sieht damit das „Ende einer historischen Phase“, in der die Evangelische Kirche deutlich mehr Pfarrerinnen und Pfarrer beschäftigte hatte, als das die Planstellen vorsahen: „Im Dienst waren 600 über Plan.“ Im Kirchenkreis wird die Zahl der Gemeindepfarrer*innen in den kommenden zehn Jahren von jetzt 47 auf unter 20 sinken. Hauptgrund: Es fehlt an theologischem Nachwuchs. Deshalb begrüßte die Synode auch einen Antrag aus Arnsberg-Neheim-Sundern, mit dem die Landeskirche aufgefordert wird, alles daran zu setzen, den Pfarrberuf attraktiver zu machen.

Diese Problematik hat man natürlich längst auch bei der Landeskirche erkannt und unternimmt bereits viel, um die Attraktivität des Berufes zu steigern. Schlüter: „Wir befinden uns mit diesem Problem in guter Gesellschaft mit Wirtschaft, Handel, Handwerk und Industrie. Auch wir leiden unter einem Fachkräftemangel.“

"Was also tun? Darüber gehen die Meinungen aktuell noch weit auseinander. Während die Landeskirche die Zahl von derzeit 3000 Gemeindegliedern, für die ein Seelsorger/eine Seelsorgerin zuständig ist, auf künftig 5000 anheben möchten, setzen die Menschen an der Basis und auch die Kreissynode am Ende eine intensiven Debatte darauf, dass es noch andere Möglichkeiten gibt. Auf solche alternativen Handlungsoptionen hatte der Strukturausschuss in seinem Bericht hingewiesen, den die Synode abschließend nicht nur mit Zustimmung zur Kenntnis nahm, sondern auch an die Landeskirche weiterleitete mit der Bitte, diese Optionen in den weiteren Beratungen aufzugreifen und die Gemeinden an der für sie existenziellen Entscheidung über den Pfarrstellenschlüssel ab 2025 zu beteiligen. Schon jetzt sei die Zahl von 3000 sehr hoch und sollte die Obergrenze sein, um weiterhin effektiv mit den Gläubigen arbeiten und ihnen die gewünschten Dienste (Gottesdienst, Taufen, Hochzeiten, Beerdigungen, Seelsorge und vieles mehr) anbieten zu können.

Dr. Christian Welck, Pfarrer von Petri-Pauli in Soest und Vorsitzender des Strukturausschusses, forderte denn auch: „Es geht hier um eine ganze Menge. Wir sind gemeinsam mitverantwortlich für die Zukunft der Gemeinden und damit der gesamten Evangelischen Kirche, denn die Gemeinden sind die Basis unserer Kirche.“ Deshalb müsse mit Fantasie und Engagement nach Alternativen gesucht werden. Dieser Forderung schloss sich die Synode mehrheitlich ein.

Ein Weg aus der Krise sollen „Interprofessionelle Pastoralteams“ (ITP) sein. In ihnen sollen Diakone und Diakoninnen, Gemeindepädagogen und andere im Gemeindeleben engagierte Menschen pastorale Aufgaben und mehr Verantwortung in der Kirche übernehmen und damit die Pfarrstelleninhaber entlasten. Pfarrer Wolfgang Jäger (Erwitte/Anröchte) warnte allerdings vor zu hohen Erwartungen: „Menschen für die ITP’s werden nicht wie Pilze aus dem Boden schießen.“

Ein anderer Lösungsansatz ist es, noch mehr auf die Zusammenarbeit in den Regionen zu setzen. Synodalassessor Thomas Hartmann: „Wir sollten die Pfarrstellenplanung nicht mehr an den Zahlen einzelner Gemeinden ausrichten, sondern uns an den Regionen orientieren.“

Ein weiterer, in der Kirchenordnung ausdrücklich vorgesehener und bereits vielfach bewährter Lösungsansatz ist es, diese kirchlich engagierten Personen weiterzuqualifizieren, so dass sie als Predigerin oder Prediger den Pfarrdienst in den Gemeinden in vollem Umfang übernehmen können. Damit könnte der Pfarrstellenschlüssel auch über 2025 hinaus bei 1 : 3000 bleiben.

Keine Frage: Die Diskussion, wie es mit und in der Evangelischen Kirche weitergeht, ist gerade erst eröffnet. Im September sollen die Gemeinden erneut zusammenkommen, um über die Zukunft zu diskutieren. Auch bei der Herbstsynode und im kommenden Jahr bei der Sommersynode dürfte das Pfarrstellenkonzept im Blickpunkt stehen.

Superintendent Dr. Schilling setzt dabei auch auf Beistand „von oben“: „Ich glaube, dass Gottes Wort uns helfen wird, auch diese Krise zu bestehen. Und wenn wir hinkend aus dieser Prüfung herauskommen, es wird die Sonne uns doch aufgehen.“

Vizepräsident Ulf Schlüter: „Auch wir leiden unter Fachkräftemangel.“

Superintendent Dr. Manuel Schilling: „Es wird die Sonne uns doch aufgehen.“

Synodalassessor Thomas Hartmann: „Wir müssen mehr in Regionen denken.“

Ausschussvorsitzender Dr. Christian Welck: „Die Gemeinden sind unsere Basis.“