„Es geht um ein Miteinander"

Erstellt am 22.03.2024

Fastenbrechen beim Verein für Wissen und Kultur vereinigt Muslime und Christen

Kurz vor Sonnenuntergang sind die Rechauds noch abgedeckt, alles Porzellan ist noch unberührt. Flötenspieler Samet Ölmez, Soests Vizebürgermeisterin Christiane Mackensen, Betül Koç vom Verein WiKult und Superintendent Dr. Manuel Schilling vom Evangelischen Kirchenkreis Soest-Arnsberg (von links) haben sich für ein Anzeiger-Bild zusammengestellt. Fotos: Thomas Brüggestraße

Von Thomas Brüggestraße

Soest. Die Rechauds, die großen Wärmeschalen mit der Brennpaste darunter, sie stehen in langer Reihe dicht an dicht im Stadtteilhaus für den Soester Süden. Man hört ganz leise, wie es köchelt. Porzellan stapelt sich auf einem Tisch daneben, Besteck liegt bereit, Süßspeisen glänzen verlockend. Ein Besuch ganz leise in der Küche lüftet das Geheimnis:

Linsensuppe wird es geben, erzählen ein paar junge Damen, Reis und Hühnchen. Backofengemüse und gutes Fleisch. Nichts vom Schwein. Gefüllte Weinblätter gibt es ebenso, weil die so lecker sind. Und etwas mit viel Gewürz und Reis. Und Salat. Bunt und knackig. Zum Nachtisch später Süßspeisen, typisch türkisch mit Teig und Pistazien und Sirup. Dazu Tee und Kaffee, Eistee oder Wasser. Vor jedem Gast liegt in einem kleinen Schälchen eine Dattel. Der ideale Gaumenschmeichler zum Einstieg, erzählt jemand.

Sonnenuntergang ist an diesem Samstag erst um 18.40 Uhr, und bis dahin müssen alle warten mit dem Fastenbrechen. Die meisten haben seit dem letzten Sonnenuntergang nichts gegessen und getrunken. Wenn Ramadan, wenn Fastenzeit ist, dann sind Muslime angehalten, sich an ein genaues Regelwerk zu halten: Kein Essen und Trinken zwischen Morgendämmerung und Sonnenuntergang. Das gilt aktuell seit dem 11. März und bis zum 9. April, Tag für Tag. Für alle, die gesund sind, gehört es sich, sich an diese Regeln zu halten, erläutert Betül Koç. Sie spricht für die Veranstalter vom Soester Verein WiKult, das bedeutet „Verein für Wissen und Kultur", und es gibt den Verein schon seit 2012.

Das Fasten im Ramadan stelle eine der fünf Säulen des Islam dar, erklärt Koç weiter. Es gehe in dieser Zeit ganz besonders um Gastfreundschaft, um Barmherzigkeit und Offenheit, um Liebe, Respekt und Begegnung. Um das, was verbindet. Koç: „So wie heute laden wir Freunde ein, auch wenn sie keine Muslime sind. Wir wollen Brücken bauen, Freundschaften pflegen, wir suchen gegenseitigen Respekt und Verständigung: Wir sind alle Kinder des selben Schöpfers."

Verbindungen und Brücken im Glauben betont auch Superintendent Dr. Manuel Schilling: Passion und Ramadan, sie fielen in die gleiche Zeit, sagt er, und er sehe die Muslime als ein Vorbild in der Ernsthaftigkeit zum Verzicht, um sich auf Gott vorzubereiten. Schilling: „Es ermutigt mich, meinen Leuten zu sagen: Nehmt Euch ein Beispiel." Und er betont in deutlicher Abgrenzung zu allen, die Hass und Krawall predigen: „Wir hier, wir bilden die Mehrheit, die Mehrheit der Werte und des Friedens, wir können zusammen eine Gesellschaft des Friedens bauen. Unser Treffen kann ein politisches Zeichen setzen für die Zukunft unseres Landes..."

Es ist noch nicht Sonnenuntergang. Samet Ölmez trägt meditative Stücke auf der Ney vor, einer orientalischen Längsflöte, einer so genannten Endkantenflöte ohne Mundstück. Menschen spielen sie schon seit 3000 Jahren. Sufis drehen sich zu diesen Tönen in eine Trance, die sie näher an ihren Allerbarmer führen soll. Alle im Saal lauschen andächtig. Dem Westfalen ist diese Musik ein wenig fremd, aber sie hat einen gewinnenden Charme.

Dann ist es 18.40 Uhr. Sonnenuntergang. Ein Vorbeter tritt nach vorne, und singt seinen Lobpreis in arabischer Sprache in Richtung Mekka. Jemand liest ein langes Gebet auf Deutsch vor, das ist ausgedruckt auf einem zusammengerollten Zettel mit einem Schleifchen drumherum. Vor jedem Platz liegt so ein Zettel. Dass Menschen sich verstehen und Frieden halten und gemeinsam eine friedliche Welt aufbauen, das möge Allah geben. Und den Traurigen Fröhlichkeit, den Armen die Güter, den Einsamen Geborgenheit.

„Und jetzt wird gegessen. Gemeinsam und mit Freunden", erklärt Betül Koç weiter: „Das ist unser Fastenbrechen. Zwei Mal im Jahr übrigens, machen wir offene Veranstaltungen wie diese, über die Religionsgrenzen hinweg. Wir laden ein, wenn wir Ramadan halten, wir laden ein, wenn Christen sich auf Weihnachten vorbereiten. Es geht um ein Miteinander."

Ob es ihr gefallen würde, wenn auch in Soest in der Fußgängerzone große, beleuchtete Werbung hinge mit „Happy Ramadan"? Betül Koç schaut, überlegt kurz und lacht: „Oh ja, das wäre wirklich schön. Ein Zeichen von Verbundenheit und Respekt. In London gibt es das schon lange. Werbung in Soest, wo dann 'Ramadan mubarak' zu lesen wäre, also 'Gesegneter Ramadan', das wäre schön..."