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Arbeiten an Wiesenkirche dauern länger

22.5.2025

Fertigstellung bis 2027 ist nicht zu halten / Teile der Dachkonstruktion sind marode

Wichtige Markierungen: Diese Einkerbungen sind so genannte Abbundzeichen zur exakten Orientierung beim Zusammenbau. „Ein System, an das sich Zimmerleute über Jahrhunderte gehalten haben", erklärt Dombaumeister Gunther Rohrberg.
Wichtige Markierungen: Diese Einkerbungen sind so genannte Abbundzeichen zur exakten Orientierung beim Zusammenbau. „Ein System, an das sich Zimmerleute über Jahrhunderte gehalten haben", erklärt Dombaumeister Gunther Rohrberg.

Von Thomas Brüggestraße

 

Soest. Der Zeitplan für die Sanierungsarbeiten an der Wiesenkirche gerät ins Wanken, denn unterm Dach und am Stein direkt darunter gibt es nicht eingeplante Mehrarbeit. 2027 sollte alles wieder schön und fertig sein. Das funktioniert nicht mehr.

 

Doch der Reihe nach: Einen wichtigen tragenden Balken im Eingangsbereich am Südturm hätten Dombaumeister Gunther Rohrberg und seine Mitarbeiter erst einmal provisorisch abgestützt und wieder gerade gedrückt. Der mächtige Eichenbalken sei brav wieder in Form gegangen, und gerade das habe die ganze Misere gezeigt, so hatte es Gunther Rohrberg bei der Versammlung des Dombauvereins Ende 2024 vorgetragen und alarmierende Bilder auf der Leinwand präsentiert.

 

Rohrberg damals: „Die Löcher in der wieder getrockneten Eiche, dieses Bild bezeichnen wir als Würfelbruch. Gesunde Eiche bleibt, wie sie ist. Dieser Balken hat wie ein Schwamm über lange Zeit Wasser aufgenommen. Dann hat ein Pilz das Holz zersetzt. Das freut den gescheckten Nagelkäfer, der jetzt viel zu fressen hat. Den bekommt man nicht tot."

 

Der Brösel-Balken muss also raus, schnellstmöglich ersetzt werden. Und nicht nur der: „Das Dach der Wiesenkirche muss dringend saniert werden, der Sauerländer Schiefer aus den 1960er Jahren wird bröselig, der hat seine, Standzeit‘ erreicht", erläuterte Gunther Rohrberg jetzt bei einem Pressetermin vor Ort: „Wir tauschen den hellgrauen Sauerländer Schiefer gegen den dunklen spanischen Schiefer, der hält mehr aus."

 

Ein undichtes Dach ist Gift für den historischen Kehlbalken-Dachstuhl der Wiesenkirche, und der sei ein echter Schatz erklärt Rohrberg: „In Soest haben wir ähnliche Konstruktionen nur noch in der Paulikirche und im alten Rathaus." Der Befund beim Dach der Wiesenkirche? Rohrberg: „Wir haben Schäden am Holz, im Süden über dem Eingangsbereich der Kirche, letztlich geht es um alle Hölzer im Traufbereich, wir haben auch massive Schäden am Stein. Da müssen wir ran, während wir zeitgleich am Nordturm arbeiten."

 

Man werde im Budget bleiben, aber den Zeitplan könne man leider nicht halten. Rohrberg: „Wir wollten 2027 fertig sein, aber das ist nicht zu schaffen, wenn das jetzt noch an Arbeiten obendrauf kommt."  

Mit chirurgischer Präzision

Über viele Jahre ist der Dachstuhl der Wiesenkirche gewachsen, Gebinde für Gebinde zunächst 24 Meter tiefer im Kirchenraum zusammengebaut, dann über Flaschenzüge und Winden nach oben gehievt und an der exakt richtigen Stelle verbaut worden, erklärt Rohrberg beim Besuch unterm Dach. Vertun konnten sich die Zimmerleute nicht: So genannte Abbundzeichen, das sind tiefe Einkerbungen im Holz, sie zeigten an, was wo hingehörte.

 

Rohrberg zeigt in die Ferne: „Ganz hinten, Ostrichtung ist das, da sind wir tief im Mittelalter, bei 1320. Wenn wir uns umdrehen, hier am Ende, da stammt das Holz von 1430." Eiche ist verbaut worden. Wer sich auskennt, erkennt auch Fichtenholz. Das stamme aus neuerer Zeit, erläutert der Experte: „Früher gab es hier in der Gegend nur Eiche und Buche. Nadelholz kam mit den Preußen."

 

Was Rohrberg fasziniert: „Der Dachstuhl ist ja, wie wir wissen, über ganz, ganz viele Jahre gewachsen — die Bauweise ist stets exakt gleichgeblieben, hier ist ein Teil wie das andere, hier sieht man über Generationen weiter gegebenes und exakt beibehaltenes Handwerkerwissen. Alle haben sich darangehalten. Dieser Dachstuhl muss unbedingt erhalten werden."

 

Bei jedem normalen Bau wären Sanierungsarbeiten kein Problem: Ärmel aufkrempeln, Bohrhammer raus, Motorsäge raus, ran an die Arbeit. Nicht so an einem so überaus wertvollen Denkmal wie der Wiesenkirche: Hier geht man chirurgisch und sorgsam zu Werke, arbeitet mit Präzisionswerkzeug und mit viel Bedacht, um historische Substanz zu schonen und zu erhalten.

Rohrberg zum weiteren Vorgehen: „Vor die Südwand kommt in Kürze von außen ein Gerüst, der Zugang zur Kirche bleibt aber möglich wie gewohnt." Wann jetzt mit einem Ende der Arbeiten zu rechnen sei? Rohrberg: „Wir wissen es nicht. Was wir wissen, ist: Der bisherige Zeitplan passt jetzt nicht mehr."

Dombaumeister Gunther Rohrberg (rechts), Steinmetzmeister Thomas Gißke (links) und die Gesellen Jonathan Schulze (Zweiter von links) und Nele Dreizehner stehen direkt unter dem aufgeständerten Kehlbalkendachstuhl. Im Hintergrund, im Osten, ist Gebinde für Gebinde Eiche von 1320 verbaut, das Holz im Westen ist von 1430. Fotos: Thomas Brüggestraße
Dombaumeister Gunther Rohrberg (rechts), Steinmetzmeister Thomas Gißke (links) und die Gesellen Jonathan Schulze (Zweiter von links) und Nele Dreizehner stehen direkt unter dem aufgeständerten Kehlbalkendachstuhl. Im Hintergrund, im Osten, ist Gebinde für Gebinde Eiche von 1320 verbaut, das Holz im Westen ist von 1430. Fotos: Thomas Brüggestraße