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Von den Schutthaufen des Lebens
5.6.2025
Dr. Rolf Stieber hat ein Buch über seine Arbeit als Gefängnispfarrer geschrieben

Von Hans-Albert Limbrock
Werl. Er ist ihnen allen begegnet: den Mördern, den Totschlägern, den Vergewaltigern, den Kindesschändern, den Betrügern und den Dieben. Wenn man wie Dr. Rolf Stieber 25 Jahre als Gefängnisseelsorger gearbeitet hat, dann hat diese Arbeit Spuren hinterlassen. So tiefe Spuren, dass der Pfarrer jetzt im Ruhestand ein Buch über seine Knasterfahrungen geschrieben hat. „Lebenslänglich. Begegnungen auf Seelenhöhe“ heißt das „literarische Sachbuch“.
Auf insgesamt fast dreihundert Seiten berichtet Stieber, der bis vor knapp zwei Jahren in der Justizvollzuganstalt Werl als Gefängnispfarrer für den Evangelischen Kirchenkreis Soest-Arnsberg tätig war, über Begegnungen mit knapp zwanzig Gefangenen, die ihn alle auf die eine oder andere Weise beeindruckt, begleitet, erschüttert; ja, mitunter auch entsetzt haben.
In einem Geleitwort schreibt der Theologe Fulbert Steffensky: „Das Evangelium ist radikal an denen interessiert, die aus dem Augenschein der Gesellschaft verschwinden. Zu dieser Distanz gehört, das Stieber nirgends die Schuld der Gefangenen beschönigt und entschuldigt. Strafvollzug und Seelsorge sind keine Feinde, aber sie fremdeln miteinander.“ Und Dr. Frank Stüttgen vom Verlag für Gefängnisseelsorge ergänzt: „Realistisch kann eine solche Sicht nur werden, wenn man das Leid nicht verschweigt.“
Über 42.000 Menschen leben aktuell in 172 Gefängnissen in Deutschland. Eine Stimme in der Öffentlichkeit haben sie in der Regel nicht. Viel zu gerne tabuisiert die Gesellschaft die Männer und Frauen sowie Jugendlichen, die hinter den Mauern einer Justizvollzuganstalt leben müssen.
Auch deshalb hat Stieber sich gefragt: „Wie kann ich der Lebenswirklichkeit der gefangenen Menschen standhalten und gleichzeitig Gott denken, von ihm sprechen und mit ihm rechnen.“ Die aus dieser Fragestellung heraus entstandenen Porträts machen vor allem eines deutlich: Auch bei den Strafgefangenen handelt es sich – so verabscheuungswürdig ihre Taten auch gewesen sein mögen – in erster Linie um Menschen.
Gott findet sich auf der Seite der Verlierer
Um Menschen, die bereitwillig die Schutthaufen ihres Lebens vor dem Pfarrer ausgebreitet haben und ihn mit in die tiefsten Kellergewölbe ihrer Seelen genommen haben. „Mir war es wichtig“, sagt Stieber, „durch eine offene und wertschätzende Haltung und eine unangestrengte Aufrichtigkeit die Männer, die mir begegneten, einzuladen, von sich zu erzählen. Von dem, was das Leben schwer gemacht hat, von Gewalterfahrungen, Unglück, Traumata, Wurzellosigkeit, Schuld, Sucht, Angst, Wut. Sie konnten erzählen, ohne bewertet zu werden, ohne sich rechtfertigen zu müssen, ohne Scheu vor Abgründen.“
Durch diesen Anspruch wird das Buch zu einer lesenswerten Lektüre, die einen ungeschminkten Blick in eine Welt erlaubt, die den meisten Menschen zeitlebens fremd bleibt. Dabei verzichtet Stieber bewusst auf Effekthascherei und jeglichen Voyeurismus. Die wohlige Gänsehaut, die sich mitunter beim Lesen eines noch so schockierenden Krimis einstellt, bleibt hier aus. Und das ist auch gut so und ein großer Verdienst des Autors.
Die vielen Jahre im Knast haben auch die Einstellung von Stieber zu Gott beeinflusst und manchmal hat er sich die Frage bestellt: „War es möglich, dass Gott einen Menschen aus den Augen verliert? Könnte es sein, dass ein Menschenkind (…) von Gott übersehen worden war? Der Glaube, das gelebte Vertrauen auf Gott, bekam etwas Widerborstiges, Renitentes. Gott wurde mir zu einem Provokateur des Lebens, der seine Schöpfung ins Leben lockt, allem zum Trotz, was dem entgegensteht.“
Aber diese Überlegungen haben auch zu der Erkenntnis geführt: „Gott lässt sich nicht finden auf der Seite der Sieger, denen im Leben alles gelingt; sondern Gott lässt sich finden auf der Seite der Opfer, er identifiziert sich mit den Gescheiterten, mit den Verlierern im Lebensspiel. Er ist da, wo Ohnmacht und Trostlosigkeit zuhause sind.“

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