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Über die Kirchturmspitzen geblickt
26.6.2025
Kirchenkreis lässt sich bei Exkursion ins Ruhrgebiet über alternative Nutzung von Kirchen inspirieren

Von Hans-Albert Limbrock
Soest. Dass ein Kirchenkreis über die eigenen Kirchturmspitzen hinausblickt, ist sicherlich nichts Ungewöhnliches, sondern aktuell eher ein Gebot der Stunde und der Vernunft. Schließlich bereiten sich alle Kirchengemeinden auf tiefgreifende Veränderungen in den kommenden Jahren vor. Im Fokus stehen dabei besonders Überlegungen, wie man die vielen kirchlichen Gebäude – und hier besonders die Kirchen – anders und damit zukunftsweisend nutzen kann.
Bei einer Exkursion nach Dortmund und Bochum haben sich Pfarrerinnen und Pfarrer sowie kirchlich Mitarbeitende des Kirchenkreises jetzt exemplarisch drei Beispiele angesehen, wie so ein Transformationsprozess aussehen kann.
Eines wurde dabei schnell klar: Eins zu eins lassen sich die Ideen und Konzepte, wie andernorts Kirchen neu genutzt werden, nicht übertragen. Vor allem nicht für die vielen historischen Kirchen, die es im Kirchenkreis Soest-Arnsberg gibt. Hier stellt vor allem der Denkmalschutz hohe Hürden auf.
Und doch waren die besuchten Beispiele beeindruckend und lieferten viele Denkanstöße, über die es sich auch im Kirchenkreis nachzudenken lohnt. So etwa in Dortmund-Eving, wo die dortige, knapp 130 Jahre alte Kirche bereits im Jahre 2009 nach einem grundlegenden Umbau wieder eingeweiht wurde.
„Die Gemeindegliederzahlen waren in den Jahren zuvor stark gesunken“, erklärte Monika Berg, die ehemalige Kirchmeisterin, die die Umstrukturierung intensiv begleitet hat. Das Presbyterium habe sich damals für die Baumaßnahme entschlossen, weil finanzielle und strukturelle Entwicklungen eine Neuausrichtung des gesamten Immobilienbestandes notwendig machten. Berg: „Das war ein schwieriger Entscheidungsprozess.“ Ziel war es, für die knapp 8000 Gemeindeglieder nur noch ein Gebäude im Mittelpunkt der Gemeinde zu haben.
Eines der ersten Umbauprojekte in NRW
Die Erweiterungsnutzung der Segenskirche Eving markierte eines der ersten Umbauprojekte Nordrhein-Westfalens, bei denen ein neues Gemeindezentrum in das alte Kirchengebäude integriert und nicht angebaut wurde. Dabei blieb die liturgische Nutzung erhalten und kann durch das neue Raumkonzept flexibel an die Anforderungen der jeweiligen Nutzer*innen angepasst werden. Entstanden ist eine multifunktional nutzbare Kirche, in der sich nun das gesamte Gemeindeleben abspielt.
Vollkommen anders die Situation in Bochum-Stahlhausen. Im dortigen Stadtteilzentrum Q1 ist aus der Friedenskirche ein Haus für Religion, Kultur und Soziales entstanden, in dem das Miteinander von Menschen aus zahlreichen und unterschiedlichen Kulturen funktioniert.
Vor Ort erklärte Architekt Dirk Boländer vom Architekturbüro SOAN, wie sein Planungsbüro Kirchengemeinden berät und begleitet, wenn sie über eine Veränderung in ihrem Gebäudebestand nachdenken – was inzwischen fast alle tun.
Bereits seit 1998 liegt der Schwerpunkt von SOAN auf Kirchen. „Im Ruhrgebiet“, so Boländer, „finden Entwicklungen oft einige Jahre eher statt als anderswo.“ Seine Einschätzung: Christliches Leben, so wie wir es heute vielerorts kennen, wird es in Zukunft so nicht mehr geben: „Es macht einfach keinen Sinn, an drei verschiedenen Standorten jeweils das Gleiche vorzuhalten.“
Deshalb müsse man sich früh genug mit dem schwierigen Thema von Standortaufgaben beschäftigen: „Natürlich ist das kein einfacher Prozess. Da sind über Jahre und Jahrzehnte enge Bindungen entstanden.“ Deshalb sei es wichtig, diesen Dialog möglichst zeitig und professionell begleitet anzustoßen: „Unsere gemachten Erfahrungen zeigen einfach, dass die Gemeinden oft nicht sprachfähig sind, um die Räume zu gestalten, wo künftig Gemeindeleben stattfinden soll. Es ist elementar wichtig, miteinander zu reden. Nur dann kann man unterschiedliche Qualitäten schaffen.“
Letzte Station der Exkursion war die Pauluskirche im Stadtzentrum von Bochum. Hier ist der Transformationsprozess in vollem Gange, wie Pfarrer Constantin Decker gemeinsam mit Daniel Leseberg (SOAN) anschaulich erklärte: „Wir befinden uns quasi noch in der Experimentierphase und überlegen, was soll hier künftig überhaupt stattfinden.“ Sichtbares Zeichen einer ersten Veränderung: Alle Kirchenbänke sind aus dem Kirchraum verschwunden und wurden durch Stühle ersetzt. Dadurch sei man in der Gestaltung und Nutzung deutlich flexibler. Aber das soll nur der Anfang umfassender Veränderungen sein.
Knapp eine Million Euro sollen in den kommenden Monaten investiert werden, um die unter Denkmalschutz stehende Kirche neu aufzustellen.
