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Immer mit der Frau, nicht gegen sie
4.9.2025
Superintendent Schilling im Sommer-Interview zu den aktuellen Krisen in der Welt

Was macht Ihnen derzeit besonders Sorgen?
SCHILLING: Im Moment beschäftigt mich die Auseinandersetzung um die Schwangerschaftsabbrüche, die im neuen christlichen Lippstädter Krankenhaus nicht mehr möglich sind. Die katholische Radikalposition – eindeutig, aber meiner Ansicht nach viel zu rigide – und die massenmediale Empörung darüber lassen ein ruhiges und lösungsorientiertes Gespräch kaum zu. Wir Evangelischen hätten eine gute Linie des Mittelweges anzubieten. Ganz einfach gesagt: immer mit der Frau, nicht gegen sie, für das Kind. Diese Position findet kein Gehör. Ich frage mich: wie können wir unsere Haltung in der Gesellschaft verständlich machen, und wie können wir sie auch politisch umsetzen. Wenn uns das gelänge, wäre mancher Streit in unserem Land gemildert, und die Menschen würden wahrnehmen, dass die Evangelische Kirche relevante Dinge sagt und tut.
Die Welt ist einmal mehr voller Krisen. Viele werden mit Waffengewalt ausgetragen. Sollte die unsichere politische Lage die Menschen nicht eigentlich Halt im Glauben und damit in den Kirchen suchen lassen? Warum gelingt das nicht?
Druck kann zusammenschweißen. Aus Kohlenstaub wird ein Diamant. Druck kann auch spalten. Der Grünsandsteinblock zerfällt. Im Moment habe ich den Eindruck, die Mischung von globaler Angst, individueller Ratlosigkeit, exzessiver Fluchtmöglichkeiten in soziale Medien – um nur einige Faktoren anzudeuten – ist toxisch und macht es nicht nur den Kirchen, sondern auch anderen herkömmlichen Institutionen wie den Parteien und Gewerkschaften schwer.
Was können wir als Kirche tun?
Ich träume von einer Kirche von Menschen, die sehr unterschiedlich sind, in unterschiedlichen Formaten die Gemeinschaft feiern, die an jedem Tag die Chance ergreifen Gott zu begegnen und sich für andere einzusetzen. Unsere Kirche muss frömmer, wilder, sensibler werden, mit dem Wort Gottes vor Augen, dem Ohr an den Nöten unserer Zeit, dem Herzen bei den Menschen.
Das klingt ziemlich abgehoben.
Machen wir es konkret. In ein paar Wochen haben wir Kommunalwahlen in unserem Bundesland. Wir als Christen haben von unserem Glauben her Maßstäbe für eine gute politische Wahl: Gott hat uns die wunderbare Erde geschenkt und ihre Erhaltung anvertraut – wählen wir so, dass die Ausbeutung der Natur nicht in unserem Umfeld zunimmt. Jesus hat jeden Menschen als seinen Bruder, als seine Schwester angenommen – wählen wir so, dass der Respekt und die Würde unseres Nächsten vor Diskriminierung geschützt werden. Ein Leib, viele Glieder – wählen wir so, dass gerechte Zukunftschancen für alle möglich werden. Schließlich: „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.“ – Wählen wir so, dass unsere Demokratie bewahrt bleibt. Damit bleibt für mich weiterhin unverhandelbar: eine Partei, die den Umweltschutz geringschätzt, Hass sät, die Gesellschaft spaltet und politische Gegner bewusst diffamiert, kann von Christen nicht gewählt werden. Wir als Christen setzen uns für Versöhnung und eine offene Gesellschaft.
Im Fünften und letzten Teil des Sommer-Interviews äußert sich Superintendent Dr. Manuel Schilling in der kommenden Woche, ob er sich eine erneute Kandidatur zum Superintendenten des Evangelischen Kirchenkreises Soest-Arnsberg vorstellen kann.