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Friedhof als Insektenparadies
16.10.2025
Evangelische Gemeinde Weslarn stellt Umgestaltungspläne vor

Von Klaus Bunte
Weslarn. Nur wer sich auskennt und ganz genau hinschaut, entdeckt die Blume des Jahres 2023, die „Kleine Braunelle“. Dr. Gunnar Waesch, Biologe im Institut für Kirche und Gesellschaft der Westfälischen Landeskirche, steht auf einem unscheinbaren kleinen Rasenstück des Weslarner Friedhofs, und der Fachmann sieht die zierliche, blauviolett blühende Wildpflanze aus der Familie der Lippenblütler sofort.
Die Grünfläche ist weit davon entfernt, als Zierrasen durchzugehen, ist eher Kraut ohne Rüben – oder positiv formuliert: Hier herrscht Artenvielfalt. Diversität. „Hier wurde jahrelang nicht gedüngt, solche Flächen sind selten geworden“, betont Waesch. Das ist gut für die Insekten, und das genau das will man erreichen beim Umbau des Friedhofs.
Im kommenden Jahr soll er in eine Art Park verwandelt und die biologische Vielfalt dabei gesteigert werden. Dazu stehen Fördergelder aus dem KfW-Programm „Natürlicher Klimaschutz in Kommunen“ in Höhe von 250.000 Euro zur Verfügung. Der Haken dabei: Die Gemeinde muss 20 Prozent davon selber aufbringen, „und wir haben null Geld“, so Pfarrer Ralph Frieling. Mehr noch, für jeden gespendeten Euro, der darüber hinaus für den Friedhof gespendet wird, legt die KfW vier Euro obendrauf, bis maximal 35.000 Euro. Frieling ruft daher eindringlich zum Spenden auf, die Möglichkeiten dazu sind auf der Homepage der Gemeinde erläutert.
Da will man natürlich wissen, für welche Maßnahmen man den Geldbeutel zücken soll. Daher hat Frieling mit Waesch und Landschaftsplaner Hans-Joachim Berger, der an der Renaturierung des Soestbachs und der Ahse mitwirkte und selber Einwohner Weslarns ist, zum Rundgang über die Anlage geladen, um den Stand der Planung vorzustellen. Und direkt am Eingang hält Berger die beste Nachricht des Tages parat: Ja, der Asphalt ist hinüber, aber bevor er ersetzt wird durch eine pflegeleichte, wassergebundene Decke, also einen nicht versiegelten, unbefestigten Weg, muss der alte Belag erst einmal runter. Doch entgegen den schlimmsten Befürchtungen ist er nicht belastet, „das spart uns zehntausende Euro, die wir für andere Dinge einsetzen können.“
Zehn Prozent beträgt die Steigung vom Eingang rauf zum ersten Grab, für Menschen im Rollstuhl oder mit Rollatoren eine echte Krux. Denkbar sei daher eine zusätzliche Rampe mit fünfprozentiger Steigung. Die Begrenzung zur Straße soll durch eine blickdichte Hecke erfolgen, die übrige Hecke sei mit Weißdorn mit ihren Früchten, die zwar nicht für den Mensch, wohl aber für Tiere und Kleinsäuger Nahrung bieten, bereits optimal, so Waesch, bei der Landeskirche befasst mit dem Projekt „Biodiversitäts-Check auf kirchlichen Friedhöfen“.
Ganz anders die Ecke ganz hinten, wo einige kaputte Nadelbäume ihr Dasein fristen, die Laubbäumen weichen sollen. Dahinter soll ein kleiner Teich mit recycelbarer Teichfolie, „die füllen wir einmal auf, aber von da an erledigt der Regen das“, so Berger. Baumbestattungen sollen Einzug halten auf dem Friedhof, ebenso ein Kolumbarium, das bewusst so gestaltet werden soll, dass sich Bewuchs bilden kann. Der mittige Platz rund um das große Kreuz soll geweitet werden durch Entfernung des Kirschlorbeers und Ersatz durch eine immergrüne Mahonien-Hecke, deren Blüte zu „Insekten-Partys“ einlade.
Neben den Spenden setzt das Projekt viel auf bürgerschaftliches Engagement. Frieling hofft auf Baumpaten, die sich um die neuen Bäume kümmern. Womit die Gräber bepflanzt werden, soll den Hinterbliebenen zwar weiterhin selbst überlassen bleiben, auch bei einem geschotterten Grab sagt niemand was. Aber es sei möglich, die Grabstellen naturnah und dennoch pflegeleicht zu gestalten. Berger: „Wir überlegen, ein Mustergrab anzulegen, das dies demonstriert.“ Frieling appelliert, faire Grabsteine statt indischen Granits zu kaufen. Er habe in Indien mit eigenen Augen erlebt, wie dieser in Kinderarbeit abgebaut wird.