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Liebe auf den ersten Blick
16.10.2025
Architektin Dorothee Linneweber hat den Ostönner Kirchplatz wiederbelebt

Von Hans-Albert Limbrock
Ostönnen. Es ist ein Spagat. Ein gewaltiger Spagat. Leben und arbeiten im mondänen Düsseldorf. Und leben und arbeiten im doch eher beschaulichen Ostönnen. Architektin Dorothee Linneweber hat sich bewusst zu diesem Spagat entschieden und ihre Entscheidung bis heute nicht bereut.
Aber wie kam es überhaupt dazu, dass die gebürtige Soesterin parallel zu ihrem beruflichen Standort Düsseldorf in Ostönnen einen zweiten gesucht und gefunden hat? „Das“, so schmunzelt sie, „war irgendwie Liebe auf den ersten Blick. Ich habe den Kirchplatz gesehen und war sofort in ihn vernarrt. Da war mir klar: ,Hier möchtest Du wohnen‘“.
Wie in so vielen Dörfern in der Börde und auch anderswo hat der Kirchplatz, der einst zentraler Mittelpunkt des dörflichen Lebens war, in den vergangenen Jahren, ja Jahrzehnten enorm an Bedeutung verloren. Wäre da im buchstäblichen Mittelpunkt nicht die Andreaskirche mit der ältesten bespielbaren Orgel der Welt, so würde das Areal vermutlich gar nicht mehr wahrgenommen; der Verfall der umliegenden Häuser wäre vermutlich vorprogrammiert.
Und genau hier hat Dorothee Linneweber angesetzt. Zunächst hat sie dort ein leerstehendes Haus gekauft. Das war das Gebäude Kirchplatz 5. „Ja und dann“, wieder muss sie schmunzeln, „haben sich die Ereignisse irgendwie überschlagen.“
Daran war Pfarrer Volker Kluft nicht unschuldig. Ihm gefiel die zupackende und zielorientierte Art der Frau aus der Großstadt. Von seiner Frage „Wollen Sie nicht noch zwei Häuser kaufen?“ bis zur Unterschrift unter den Kaufverträgen war es kein allzu langer Weg. „Ich renoviere einfach gerne“, liefert sie eine Begründung ab, warum sie nun Eigentümerin der Häuser Kirchplatz 5, 7 und 8 ist. Fünf weitere Häuser mit anderen Besitzern ducken sich noch im Schatten der altehrwürdigen Ostönner Kirche.
Inzwischen ist in die Linneweber-Immobilien auch schon wieder Leben eingekehrt, was den Kirchplatz buchstäblich belebt. Eine internationale Berufstätigen-WG ist eingezogen, Mitarbeitende des Klinikums und eine Journalistin wissen das Gemeinschaftswohnen auf dem Dorf zu schätzen.
Bei einem Tag der offenen Tür hat die Architektin ihr Projekt der Dorfgemeinschaft vorgestellt – und die Ostönner waren begeistert. Allen voran Ortsvorsteher Thomas Teiner, der froh ist, dass der Leerstand ein Ende hat und die zwischenzeitlich teils chaotischen Mietverhältnisse der Vergangenheit angehören.
Der verantwortungsvolle Umgang mit Ressourcen spielte bei Konzeptentwicklung und Umsetzung des Projektes stets eine wichtige Rolle. Ein großer Teil der Sanierungsarbeiten bestand darin, gänzlich Unpassendes oder Unzeitgemäßes zu entfernen, umzudeuten oder umzunutzen. Linneweber: „Ein Uminterpretieren und Reduzieren zugunsten von dauerhaften Bauteilen und Oberflächen sowie einem stimmigen Gesamtbild waren ein Großteil der Arbeiten.“
Dorothee Linneweber ist in jedem Fall froh, dass sie durch ihr Engagement und die auf dem Lande vielleicht eher ungewöhnliche Idee des Gemeinschaftswohnens – auch Co-Housing genannt - einen nachhaltigen Beitrag für das Dorf an der B1 geleistet hat: „Das Sanierungsprojekt soll zu einem aktiven und lebendigen Ortskern rund um die historisch bedeutende St. Andreaskirche beitragen – und das Dorf um eine zeitgemäße Wohnform bereichern.“
Ihr Engagement kommt übrigens nicht von ungefähr: zum einen ist sie beruflich spezialisiert auf die Entwicklung von Wohnquartieren und zum anderen ist sie familiär geprägt, was Kirchen angeht: „Mein Vater war Pfarrer, ich bin praktisch mit Kirche aufgewachsen. Deshalb üben solche Plätze und Gebäude auf mich auch diese ganz besondere Faszination aus.“