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Sehnsucht nach jüdischer Geschichte

10.12.2025

„Teatron Netto“ lud Gäste zu nachdenklichem Gesangsabend in ehemalige Synagoge ein

In der Reihe „Teatron Netto“ fand jetzt unter dem Titel „Ga’agua“ ein besonderer Liederabend zum Thema Sehnsucht mit Ursula und Yehuda Almagor vom Arnsberger Teatron Theater sowie wie dem Musiker Silas Eifler in der ehemaligen Synagoge in Neheim statt. Foto: Frank Albrecht

Von Frank Albrecht

 

Neheim. Brennende Kerzen und siebenarmige Leuchter – die Menora – zieren den abgedunkelten Veranstaltungsort: In der ehemaligen Synagoge in Neheim, dem heutigen „Haus der Jäger“, fand jetzt ein nachdenklich stimmender Gesangsabend mit den Künstlern Ursula und Yehuda Almagor vom Arnsberger Teatron Theater statt. In der Reihe „Teatron Netto“ spielte auch der Musiker Silas Eifler zum Programm „Ga’agua“, was auf Hebräisch „Sehnsucht“ bedeutet. Das Ehepaar erzählte aus der besonderen mystischen Lehre des Judentums. Die „Kabbala“ handelt von den zehn Kräften, die Gott zugeschrieben werden und durch die er – für die Menschen – handelt.

 

Mit Applaus wurden die Akteure des Abends empfangen, ohne dass schon ein Wort gesagt oder ein Ton gespielt worden war. „Guten Abend – und Shalom“, begrüßte Ursula Almagor das Publikum in der gut besuchten ehemaligen Neheimer Synagoge. „Wir wollen Lieder singen, die sich mit dem Gefühl der Sehnsucht beschäftigen“, so die Künstlerin, „und wir fragen uns, ob das Programm angesichts der politischen Lage seit zwei Jahren überhaupt spielbar ist.“

 

Dass es gerade jetzt eine Quelle der Inspiration und Hoffnung sein kann, beschrieb Yehuda Almagor zu Beginn des Abends. „Wir distanzieren uns von religiösen Bewegungen in Israel, aber unsere kulturelle Identität, die von den Grundprinzipien herrührt, wollen wir uns nicht nehmen lassen“, formulierte er sein Statement. „Wir haben die Sehnsucht, aus Chaos und Unfrieden geführt zu werden“, ergänzte seine Frau Ursula.

 

Und entlang der besonderen Lehre aus dem Judentum, der alle Anwesenden mit Spannung lauschten, folgte den erklärenden Worten zur Einleitung das erwartete Programm: Geschichten über Sehnsucht und Schmerz, die allesamt vom talentierten und vielseitigen Musiker Silas Eifler auf verschiedenen Instrumenten begleitet wurden.

 

Geschichte wird buchstäbllich erlebbar

 

Und dazu war es der Gesang von Ursula und Yehuda Almagor, der die alten Geschichten aus der jüdischen Geschichte für alle belebte und buchstäblich erlebbar machen konnte. Zum Beispiel die Geschichte von den Kindern, die sich im Wald verlaufen haben, oder die Erzählung von einem Bettler, der eine Hochzeitsfeier besucht.

 

Während die Akteure im Halbdunkel ihre Zuhörenden immer wieder in die mystische Welt der Kabbala entführten, zeigten sich diese bereit, das Erzählte in sich aufzusaugen. Dabei sollten die Geschichten der Kabbala als Einladung verstanden werden, die dahinterliegende Welt als das wirklich Bedeutende zu erkennen. „Die eigentlichen Aussagen der Geschichten sind von den Zuhörenden selbst zu entdecken“, beschrieb Yehuda Almagor in einer Art Anleitung zum Verstehen des Abends.

 

Mit einem Schmunzeln erzählte der Künstler schließlich die Geschichte von den 36 Gerechten, die er als Jugendlicher gerne gehört habe. Denn die 36 Gerechten hätten es der Geschichte nach ermöglicht, dass alle Menschen trotz des Schlechten auf der Welt überleben können. Für Kinder, so Almagor, ein Ansporn sich gut zu benehmen, um eben einen der regelmäßig freiwerdenden Plätze unter den 36 Gerechten einzunehmen.

 

Mit einfühlsamem Gesang auf Deutsch und Hebräisch sowie einer leise begleitenden Gitarre, die in der Hand von Silas Eifler auch mal laut und bestimmend sein konnte, erlebte das Publikum einen ungewöhnlichen Abend, bei dem die aktuelle Politik leise im Hintergrund blieb, aber stets mitschwang. So war es mehrfach der Rückblick auf den 7. Oktober 2023, der Tag, an dem Jugendliche eines Kulturfestes in Israel überfallen wurden, der die Aktualität des Gesungenen und Erzählten unterstrich. „Israel verrät seine Grundwerte – trotz der großen Sehnsucht nach Frieden“, sagte Yehuda Almagor nachdenklich.

 

Ganz persönlich und nur über stillen Blickkontakt gesteuert, spielten sich die Künstler des Abends die Fragen und Antworten zu ihren Geschichten aus der Kabbala zu. „Wir sind keine Kabbala-Spezialisten“, erklärte Ursula Almagor, „aber wir wollen die Gedanken daraus teilen.“ Der Mensch habe von Gott die Hauptrolle als Helfer erhalten, der über die Grenzen von Religion und Ländern hinweg weiter nach dem Heil der Welt suchen solle. Musik ist so ein Weg, die Welt wieder heil werden zu lassen“, beschrieb sie.

 

Applaus gab es nach jedem Gesang und jeder erzählten Geschichte, und das Erzählte blieb an dem Abend für alle gut vorstellbar. Auch Texte aus dem Tagebuch der Künstlerin flossen in die Vorträge des Abends ein, und sollten mit ihrem Inhalt zu einer Hymne auf die Stadt Jerusalem werden, in der Trauer und Leid, aber auch Freude zugegen seien.

 

„Bei den Worten zur aktuellen Situation in Jerusalem sind keine einfachen Antworten zu finden“, so Almagor, und das Objekt der Sehnsucht sei nicht erreichbar. Ein Abend, der nach rund 90 Minuten mit vielen Gedanken über die religiöse Sehnsucht , einfühlsamer Musik und nachdenklich stimmendem politischem Hintergrund ein begeistertes Publikum zurücklies. Sein mehrminütiger Applaus für die Gedanken, Texte, den Gesang und die Musik verlangte nach einer Zugabe, die als „kleines Lied“ mit Silas Eifler am Kontrabass den intensiven Abend beschloss.

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