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"Mein Großvater hat hier viel gelernt"
11.12.2025
Hoher Gesandter zu Besuch in der Französischen Kapelle

Von Klaus Bunte
Soest. Wenn Gäste aus der großen Politik den Weg nach Soest finden, dann meist im Wahlkampf. Für den stellvertretenden Botschafter Frankreichs, Emmanuel Suquet, war der Besuch der Französischen Kapelle jedoch mehr als eine Station auf einer Route durch NRW: „Mein Großvater und sein Bruder waren hier inhaftiert.“ Somit hat seine Familie einen ganz persönlichen Bezug zum einstigen Soester Offiziersgefangenenlager, an das heute noch die von den Gefangenen gestaltete Kapelle erinnert.
Zu Jahresbeginn war die Gedenkstätte nach umfangreichen Renovierungsarbeiten wiedereröffnet worden. Jener Feier hatte Suquet nicht beiwohnen können. Nun holte er seinen Besuch nach. Als sein 1900 geborener Großvaters Jean Suquet starb, war er 20 Jahre jung. „Opa erzählt vom Krieg“, das habe er selbst zwar so nicht erlebt, aber der Generation dazwischen habe er „gerne Anekdoten erzählt. Mein Vater hatte den Eindruck, dass es für ihn fast schon eine schöne Zeit gewesen war“.
Gut, so richtig lustig war das Lagerleben sicherlich nicht, davon berichten andere Zeitzeugen, die traumatisiert heimkehrten. Das könnte eher auf den Großonkel zutreffen, der nie über seine Zeit im Soester O-Lager habe sprechen wollen. Suquet: „Aber die Offiziere waren gebildet, nutzten die Zeit im Lager, um sich gegenseitig zu bilden. Mein Großvater hat hier sehr viel gelernt. Und sie haben jeden Tag Sport getrieben. Er meinte, ohne dadurch eine tägliche Struktur zu haben, hätte er nicht überlebt.“
Suquet zückte sein Smartphone, zeigte abfotografierte Originaldokumente aus jener Zeit und aus Soest. Die Geschichtswerkstatt Französische Kapelle nahm ihm das Versprechen ab, sie ihm zur Verfügung zu stellen – und jene Anekdoten. Interessiert stellte Suquet in der Kapelle Fragen zu den ungewöhnlichen Malereien und ihrer tieferen Symbolik, die er zum ersten Mal sah, denn auch Fotos waren ihm vorab nicht vorgelegt worden.
Aufgrund einesStaus auf der A44 kam Suquet eine Stunde zu spät an, hatte nur noch wenig Zeit, war aber sichtlich angetan: „Das ist für mich wirklich ein sehr besonderer und persönlicher Moment, eine direkte Erinnerung an meinen Großvater und eine neue Verbindung mit meiner Familie. Und ich bin sehr beeindruckt, wie wunderschön die Kapelle ist.“
Bürgermeister Marcus Schiffer begrüßte Suquet und den ihn begleitenden Düsseldorfer Generalkonsul Dr. Etienne Sur als Freunde: „Will man Völker und Menschen miteinander verbinden, muss man sich dazu auch an Orte begeben, die Geschichte ausdrücken. Daher sind Orte wie diese nicht nur wichtig, um die Vergangenheit zu verstehen, sondern auch, um die Zukunft zu gestalten. Teil der Erinnerungskultur, die sich Soest auf die Fahne geschrieben hat, ist auch der pädagogische Anspruch, diese Erinnerung an kommende Generationen zwecks Erhalt der Demokratie weiterzugeben, und die pädagogische Begleitung ist hier von höchster Qualität.“
