Tiefe Abgründe bis zum Seelenfrieden

Erstellt am 19.08.2022

Ausstellung „Du Hexe!“ im Sauerlandmuseum zeigt Hexenverfolgung im finsteren Mittelalter

Großformatige Malereien aus dem Mittelalter geben einen guten Eindruck vom Denken der Menschen in der Zeit der Hexenverfolgung. Fotos: Frank Albrecht

Von Frank Albrecht

Arnsberg. Unter dem Titel „Du Hexe! – Opfer und ihre Häscher“ läuft derzeit die neue Sonderausstellung im Museums- und Kulturforum Südwestfalen, dem ehemaligen „Sauerlandmuseum“ in Arnsberg. Über zwei Etagen entführt die Ausstellung mit zahlreichen Exponaten ihre Besucher in das finstere Mittelalter und die Zeit der Hexenverfolgung. Zwischen 1590 und 1630, einem für die beschuldigten Frauen grausamem Zeitraum von 40 Jahren, haben Anschuldigungen und Verfolgung Gesellschaft und Gerichte geprägt. Als Hexenverfolgung ist der unrühmliche Bericht in die Geschichte eingegangen. Noch bis in den September hinein ist die Ausstellung zu sehen.

Düster und mitunter grausam in der Fantasie, die sich aus dem im Museum gezeigten entwickeln kann, so können die Besucherinnen und Besucher die aktuelle Sonderausstellung erleben. Über Aufkleber auf dem Boden gelangen sie in das Entrée, das in einem kleinen Raum vor der eigentlichen Ausstellung von dunkler Musik begleitet wird, in die Ausstellung einführt und den Hintergrund erklärt: Für Wetterzauber, Missernten, Hungersnot, Viehsterben, Krankheiten wie die Pest, aber auch für Krieg wurden im Mittelalter Frauen und ihre unerklärbaren Fähigkeiten verantwortlich gemacht. Aber auch Konflikte mit der damals vorherrschenden Religion wurden ihnen zum Verhängnis. Einmal als „Hexen“ an die Gesellschaft verraten und in dieser buchstäblich angeprangert, endete für viele von ihnen die Anklage mit Schmerz und Tod.

Die Sonderausstellung im schicken Museumsneubau an der Ruhrstraße bietet einen abwechslungsreichen Mix an Exponaten und zeigt, wie breit das Museum bei der Gestaltung aufgestellt ist. Riesige Bilder lassen unschwer erahnen, was Menschen im Mittelalter zu diesem Thema gedacht haben mögen und andere gemalt haben: vermeintliche Hexen, Frauen, beim Tanz für den Wetterzauber, die gemalte Vorstellung von einer Hexenküche oder der wohl tatsächliche Ablauf während einem der vielen Hexenprozesse – auf großer Leinwand lässt das Gemälde buchstäblich ein Bild von den Geschehnissen der damaligen Zeit entstehen. Der Tod durch Folter oder auf dem Scheiterhaufen wurde schließlich als Befreiung von der Last und Erlangung des Seelenfriedens für das Leben danach gewertet.

Fingerquetsche und Leibfessel

Doch es sind längst nicht nur die für ein Museum typisch scheinenden Kunstwerke, mit denen die Ausstellung bestückt ist. Vielmehr noch machen die gezeigten Gegenstände unter den Exponaten den großen Reiz der Sonderausstellung aus. Und die hat in der Vorbereitung nicht bei der Beschaffung der Exponate gespart: Aus mehr als vierzig Museen oder Archiven kommen die gezeigten Stücke in Arnsberg. Neben Gemälden und Büchern sind vor allem die historischen Gegenstände oder ihre perfekt konstruierten Nachbauten besonders beeindruckend. So sind zum Beispiel die Foltergeräte zu sehen, mit denen in der so genannten „peinlichen Befragung“, nämlich der unter großen Schmerzen, vielfach die Geständnisse der Beschuldigten erpresst worden sind.

Halseisen, Fingerquetsche oder Daumenschrauben und die Leibfessel – hinter Glas und auf rotem Stoff, der auch das vergossene Blut der vielen Opfer sein könnte – können sich Besucher der Ausstellung ein Bild von den Methoden und möglichen Folgen für die Beklagten machen. Gezeigt wird aber nicht nur, was es nach historischer Überlieferung wirklich gegeben hat. Auch Fantasie-Produkte wie der Stachelstuhl aus dem Hexenbürgermeisterhaus im westfälischen Lemgo bereichern die Ausstellung. Auf Texttafeln wird erklärt, dass es ein Folterinstrument war, das wohl nur der Vorstellung vom Möglichen entsprungen ist.

Und überhaupt: Text begegnet den Besucherinnen und Besuchern zur Ausstellung nur in wohldosierter Form. Entweder als große Schriftzüge auf den Wänden sowie im Treppenhaus oder als erklärende Tafel, die das Gezeigte in die richtige Lage rücken. Nicht fehlen unter den Exponaten dürfen aber auch die juristischen Fachbücher aus der Vergangenheit. Beindruckend vorweg der „Sachsenspiegel“ des Eike von Repgow aus den Jahren 1220 bis 1235 – die mittelalterliche Gesetzessammlung schlechthin. Und passend zum Thema „Du Hexe!“ sind auch die Seiten in der Halsgerichtsordnung von 1542 oder der „peinlichen kurkölnischen Hexenprozessordnung“ aufgeschlagen. Alles im schummrigen Licht, um auch das alte Papier nicht zu schädigen.

Über die zwei Etagen der Ausstellung werden Besucher bis in die Moderne geführt. Zwischen Henkermaske mit Richtschwert und einer Collage zur Hexenjagd in moderner Kunst von Johanna Braun aus dem Jahr 2018 liegt auch der Excape-Room zur Ausstellung. Als Event für Familien extra zu buchen, müssen sich die Besucher des Zimmers in einem Zeitfenster von 60 Minuten möglichst selbstständig aus dem Raum wieder befreien. Ein besonderer Kick für die, die noch mehr Eindrücke zum Thema „Hexe“ aus dem Museum mitnehmen können.

 

Die Ausstellung „Du Hexe! – Opfer und ihre Häscher“ ist noch bis zum 24. September im Museums- und Kulturforum Südwestfalen in Arnsberg, Alter Markt 24 – 30, zu sehen. Parkmöglichkeiten bestehen in der Tiefgarage am Neumarkt. Zur Sonderausstellung gibt es einen 100-seitigen Ausstellungskatalog mit Fotos der Exponate und Texten. Weitere Informationen wie zu den Öffnungszeiten sind unter www.sauerland-museum.de zu finden.

Wichtige Utensilien für die „peinliche Befragung“ wie dieses Halseisen: Das Sauerland-Museum spart nicht mit eindrucksvollen Exponaten dazu.

Modern ist auch ein Ausblick auf die „neue Hexenverfolgung“. Plakate oder Zeitungsausschnitte zeigen, wie weit es heute schon gekommen ist.