Aufenthalt im Feindesland

Erstellt am 12.08.2022

Evangelische Kirchengemeinde Warstein feiert in diesen Tagen ihr 175jähriges Jubiläum

175 Jahre wird die Evangelische Kirchengemeinde Warstein in diesen Tagen. In einem Festvortrag blickt Kustos Dietmar Lange auf ihre bewegte Geschichte zurück und wird dabei auch aus dem Buch „750 Jahre Kirche Warstein“ zitieren. Fotos: Hans-Albert Limbrock

Von Hans-Albert Limbrock

Warstein.  Keine Frage: Der Mann hatte Courage und Rückgrat und ging offenbar keinem Konflikt aus dem Wege. Aber Karl Geck gehörte nicht zu der Sorte Menschen, die Streitigkeiten aus reinem Selbstnutz suchen. Vielmehr war der Mann, der als erster Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde in die Geschichte Warsteins einging, ein Kämpfer für den evangelischen Glauben. Und davon ließ er sich auch in der Katholischen Hochburg Warstein nicht abbringen.

Caspar Kleinschmidt, sein katholisches Gegenüber, war 1875 natürlich alles andere als angetan, dass Menschen evangelischen Glaubens zunehmend an Einfluss gewannen und legte Pfarrer Geck so manchen Stein in den Weg. „Dass es vor nunmehr 175 Jahren überhaupt zur Gründung der Kirchengemeinde Warstein-Belecke-Rüthen kam, lag vor allem an einigen einflussreichen Industriellen, die evangelischen Glaubens waren“, weiß Dietmar Lange. Bis zu diesem Wendepunkt wurde Warstein als Filialgemeinde von Meschede geführt.

Der Geschichts- und Religionslehrer  Lange ist so etwas wie das historische Lexikon Warsteins. In seinem Buch „Ecclesia Warsteinensis“, das er 1987 zum Jubiläum „750 Jahre Kirche in Warstein“ als Herausgeber veröffentlicht hat, ist der Geschichte der Evangelischen Gemeinde in der Wästerstadt ein mehrseitiges Kapitel gewidmet.

Darin beschreibt Autor Hans-Jürgen Fricke Pfarrer Geck als „eine kämpferische Person, die irgendwie reformatorisches Pathos mit aufklärerischem Fortschrittsdenken und nationalem Gedankengut verband“.  Pfarrer Kleinschmidt, so Fricke, sei „ein ebenso harter und unversöhnlicher Mann“ gewesen, „der den Streit zu schüren verstand“.

Auch deshalb war das Zusammenleben der unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften alles andere als konfliktfrei. Fricke: „Das anfänglich distanzierte Verhältnis der einheimischen katholischen Bevölkerung wandelte sich rasch in ein feindseliges.“ Davon weiß auch der heutige Pfarrer Uwe Müller zu berichten: „Die evangelischen Pfarrer haben es in Warstein nicht immer leicht gehabt. Auf einen ist sogar mal geschossen worden, ein anderer wurde mit Knüppeln gejagt.“

Gottlob ist das alles lange vorbei . Aber die Anfangsprobleme haben ohne Zweifel  für so manche, zum Teil auch blutige  Anekdote in diesem Glaubenszwist gesorgt. Geck selbst hatte seine Zeit in Warstein als einen „Aufenthalt im Feindesland“ beschrieben. Zwar konnten die Mehrheits- und Machtverhältnisse zwischen evangelischen und katholischen Christen auch durch den kämpferischen Einsatz des Pfarrers nicht nachhaltig verschoben werden, aber dennoch war der Einfluss der „Evangelen“ durchausaus gegeben, da zunehmend auch Industriearbeiter nach Warstein kamen, die zur Evangelischen Kirche gehörten und bei evangelischen Firmenchefs schnell Brot und Arbeit fanden.

Wohl auch aus diesem Grund fiel der Bau einer eigenen Kirche, des Pfarrhauses, eines Friedhofes und der Volksschule gegenüber dem heuten Haus Kupferhammer  in die Ära Geck. Und das obwohl  die Zahl der evangelisch Gläubigen damals nicht sehr hoch war, wie Fricke weiß: „Man zählte in Warstein etwa 100, in den umliegenden Gemeinde etwa 200 bis 300 Protestanten.“

Das hat sich inzwischen deutlich geändert. Knapp 5000 Seelen zählt die Gemeinde Warstein, zu der natürlich auch Rüthen, Belecke, das Möhnetal und die umliegenden Dörfer gehören. Gemeinsam wollen sie das 175-jährige Jubiläum ihrer Kirchengemeinde mit verschiedenen Veranstaltungen feiern. Auftakt ist ein Festvortrag von Dietmar Lange, in dem auch die zuvor erwähnten Anekdoten zu Gehör gebracht werden, am 24. August um 19 Uhr im Haus Kupferhammer. Eine Übersicht über über die  Veranstaltungen findet sich in der Infobox.

Der Überblick

Mittwoch, 24. August, 19.30 Uhr: „175 Jahre dem evangelischen Glauben ein Zuhause" (Vortrag von Kustos Dietmar Lange zur Geschichte der Evangelischen Kirchengemeinde Warstein), Haus Kupferhammer Warstein.

Sonntag, 28. August, 11 Uhr: Festgottesdienst zum 175-jährigen Gemeindejubiläum, Martin-Luther-Kirche Warstein, anschließend: Gemeindefest in und um Martin-Luther-Kirche und Philipp-Melanchthon-Haus; Abschluss gegen 16.30 Uhr / 17 Uhr: Konzert „Gospel spontan"

 Mittwoch, 31. August, 19.30 Uhr: „Die Wort-zum-Sonntag-Show" (Kirchenkabarett mit Ingmar Maybach-Mengede), Martin-Luther-Kirche.

Freitag, 9. September, 16.30 Uhr: „Hoffnung kommt von Hüpfen" (Familien-Mitmachkonzert mit Liederpfarrer Bastian Basse), Jugendhaus Paul-Gerhardt-Haus Belecke (ersatzweise: Philipp-Melanchthon-Haus).

Uwe Müller ist der 9. Pfarrer in der Geschichte der Kirchengemeinde.

Die Warsteiner Pfarrer: Karl Geck (1847-1893), Karl Gottfried von Renesse (1983-1898), Wilhelm Nottebohm (1898-1906), Otto Prein (1907-1934), Friedrich Ludwig Karl Stein (1935-1937), Ernst Erich Trommershausen (1938-1958), Helmut Buscher (1958-1972), Hans-Jürgen Fricke (1972-2001), Uwe Müller (seit 2002).