Kirche der Zukunft ist Herkulesaufgabe

Erstellt am 10.06.2022

Kirchenkreis sieht sich vor großen Herausforderungen und diskutiert intensiv über den richtigen Weg

Haben ein Ziel, sind sich aber nicht einig darüber, welcher Weg dorthin der richtige ist: Superintendent Dr. Manuel Schilling (links) und Pfarrer Dr. Christian Welck, Vorsitzender des Strukturausschusses. Fotos: Hans-Albert Limbrock

Von Hans-Albert Limbrock

Soest-Arnsberg. Wenn zwei Menschen dasselbe Ziel haben, heißt das noch lange nicht, dass man sich über den Weg dorthin einig ist und wie man dieses Ziel erreichen kann. Einig sind sich Superintendent Dr. Manuel Schilling und Dr. Christian Welck als Vorsitzender des Strukturausschusses darin, dass die Evangelische Kirche vor großen Herausforderungen steht und dass es ein Kraftakt wird, die Aufgaben der Zukunft zu meistern. Vor allem der aktuell intensiv diskutierte „Pfarrstellenplan“, mit dem vorgeben werden soll, wie viele Pfarrer und Pfarrerinnen in Zukunft (hier besonders ab dem Jahr 2032) noch Dienst tun sollen, erscheint als Herkulesaufgabe.

Die Landeskirche geht vor dem deutlichen Rückgang an Bewerberinnen und Bewerbern für den Pfarrberuf von einer Halbierung der Stellen in den Gemeinden aus. Für den Kirchenkreis Soest-Arnsberg bedeutet dies konkret: von den derzeit 47 Stellen bleiben in zehn Jahren noch ganze 20. Ein weiteres Argument für die Reduzierung: Auch die Zahl der Gemeindeglieder nimmt ab. Knapp 100.000 waren es noch bei der letzten Zählung, die evangelische Kirchensteuer zahlen. 2032 sind es – so die Prognose der Landeskirche – allenfalls noch  85.000.

„Das sind schreckliche prognostizierte Zahlen, die nach einem strengen Regiment verlangen“, urteilt der Superintendent. Die Zahlen will auch Dr. Welck nicht grundsätzlich anzweifeln: „Vor dieser Entwicklung kann man natürlich nicht die Augen verschließen. Es ist ja keine Frage, dass wir uns dieser Herausforderung stellen müssen. Diskutiert werden muss aber der Weg dorthin.“

Unterschiedliche Vorstellungen

Und das ist der Punkt, an dem die Meinungen von Schilling und Welck auseinandergehen. Während der Superintendent davon ausgeht, dass die Zahl der Stellen in der Tat annähernd so radikal abnehmen wird wie prognostiziert, glaubt Welck, dass es auch Alternativen dazu gibt: „Auch die Synode ist der Auffassung, dass es andere Handlungsoptionen gibt.“ Zum Beispiel könne man geeignete Gemeindeglieder zu Predigern qualifizieren: „Diese Möglichkeit sieht die Kirchenordnung ausdrücklich vor.“ Auch bei den so genannten Funktionsstellen – zum Beispiel Pfarrerinnen und Pfarrer – die im Schuldienst sind, gäbe es Spielraum: „17 Prozent unserer Kolleginnen und Kollegen sind im staatlichen Dienst“, so Welck.

Wenn all dies berücksichtigt und umgesetzt werde, könne es gelingen, den aktuell gültigen Schlüssel von einer Pfarrstelle für 3000 Gemeindeglieder aufrecht zu erhalten. Die Landeskirche geht von einem Verhältnis von 5000 Gemeindegliedern bei einer Pfarrstelle ab 2032 aus, schon ab 2026 soll der Schlüssel 1:4000 lauten. Welck: „Ich erwarte, dass diese Diskussion in unserer Kirche ergebnisoffen geführt wird.“

Superintendent Schilling hat da so seine Zweifel, dass die Rechnung des Vorsitzenden vom Strukturausschuss aufgeht. „Ich habe natürlich Verständnis für diese Überlegungen. Aber als Superintendent muss ich  den Kirchenkreis als Ganzes im Blick haben und darf nicht nur die Gemeinden sehen. Entscheidend wird ohnehin sein, was die Landessynode  beschließt. Das werden dann unsere Vorgaben werden, die es umzusetzen gilt.“

Anders als Welck setzen Schilling und die Landeskirche auf die Reduzierung der Stellen und eine Ergänzung durch sogenannte „Interprofessionelle Teams“ (IPT): „Wir müssen uns von dem Gedanken verabschieden, dass der Pfarrer der Generalist ist, der alles macht und alles kann. Das wird es in Zukunft so nicht mehr geben.“ Der Pfarrer und die Pfarrerin müssten künftig vielmehr theologische und seelsorgliche Spezialisten sein. Andere Bereiche – wie Verwaltung, aber auch diakonische Aufgaben – sollen andere aus der Gemeinde übernehmen. „Wir stehen hier vor einem großen Paradigmenwechsel. Die Ortsgemeinde, wie wir sie heute kennen und erleben, wird es vielerorts nicht mehr geben. Es wäre fatal, wenn wir uns Kirche nur als eine Verlängerung alter und überlieferter Strukturen vorstellen können.“

Das will auch Dr. Christian Welck nicht: „Ich habe nichts dagegen, wenn die Krise etwas verändert. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass die Ortsgemeinde der Ort ist, wo Kirche sichtbar und spürbar wird und sich in allen erdenklichen Formen ereignet.“

Keine Frage: Der Diskussionsprozess zur Entwicklung der Pfarrstellen hat gerade erst begonnen. In einer Synodalversammlung sollen die Gemeindeglieder am 15. September ab 18 Uhr in der Schützenhalle Warstein ihre Meinungen zu dem Thema austauschen. Auch in den folgenden Synoden dürfte das Thema weiterhin ganz oben auf den Tagesordnungen stehen. Und spätestens dann, wird die Frage beantwortet, welcher Weg der geeignete zum gemeinsamen Ziel ist: Die Evangelische Kirche trotz aller Probleme für die Zukunft wetterfest zu machen.

 

Kämpft für einen besseren Pfarrstellenschlüssel: Dr. Christian Welck vom Strukturausschuss.

Sieht sich in der Verantwortung für den gesamten Kirchenkreis: Superintendent Dr. Manuel Schilling.

Überprüfung auf Praxistauglichkeit

Die Erwachsenenbildung im Kirchenkreis hat, um den Diskussionsprozess zur Pfarrstellenentwicklung konstruktiv zu begleiten eine mehrteilige Informationsreihe aufgelegt: „Hinterm Horizont geht es weiter – Personal- und Strukturentwicklung im Kirchenkreis Soest-Arnsberg“. Die Reihe, die sich explizit an Presbyterien, die Pfarrerschaft, Diakoninnen und Diakone und weitere verantwortliche kirchliche Berufsgruppen sowie Leitungspersonal und engagierte Gemeindeglieder  richtet, besteht aus fünf Veranstaltungen, die allesamt via Zoom (jeweils von 18 bis 20 Uhr) stattfinden werden.

Das Thema zum Auftakt am Dienstag, 9. August, lautet: „Regionale Kirchenentwicklung – vom nebeneinander zum miteinander“. Referent ist Pfarrer Christian Ebert vom Institut für Gemeindeentwicklung und missionarische Dienste in der Evangelischen Kirche von Westfalen.

„Kontakt statt Mitgliedschaft – Zugehörigkeit zu Kirche und Diakonie im Wandel“ heißt es am Donnerstag, 18. August. Dr. Tobias Kirchhof ist Referent für diakonische Profilbildung bei der Arbeitsstelle für missionarische Kirchenentwicklung und diakonische Profilbildung.

Diakonin Dagmar Krok nimmt die Interessierten am Dienstag, 30. August, zum Thema mit: Kooperation und Innovation – Interprofessionelle Zusammenarbeit in kirchlichen Diensten.

„Eine Inspiration für Westfalen“ sollen die Erprobungsräume der Evangelischen Kirche Mitteldeutschland sein. Wie das aussehen kann, darüber berichten am Donnerstag, 8. September, Pfarrerin Jana Petri und Referatsleiter Dr. Thomas Schlegel.

Abschließend gibt es dann am 20. und 25. Oktober  zwei interne Gesprächsabende via Zoom, in denen die Inhalte aus den Referaten vertieft und auf  ihre Praxistauglichkeit hin überprüft werden sollen.

Die Teilnahme an allen Veranstaltungen ist kostenlos. Anmeldungen werden bis spätestens zehn Tage vor Veranstaltungstermin per Email erbeten an: helga.broemsedontospamme@gowaway.evkirche-so-ar.de