500 Jahre gelebte Geschichte

Erstellt am 29.09.2022

Hauptgebäude von Stift Cappel feiert einen runden Geburtstag

Die Theaterspieler um Regisseurin Sigrid Kurth-Kaßner (links in rot gemusterter Jacke).

Von Thomas Brüggestraße

Soest. Es ist das Hauptgebäude, das 500 Jahre alt geworden ist. Die Stiftskirche ist wesentlich älter. Die Fertigstellung des Stiftes, den Geburtstag der Abtei Stift Cappel feierte die Evangelische Kirchengemeinde mit Pfarrer Dr. Roland Hosselmann  jetzt mit einem Festgottesdienst in der Stiftskirche.

Anschließend wurde es munter im großen Wohnhaus: Bei Besichtigungstouren ging es treppauf, treppab. Draußen wurde gegrillt, solange der Regen das zuließ. Drinnen gab es Kaffee und Kuchen. Junge Leute von einem Kunst- und Design-Seminar aus der Nachbarschaft stellten ihr „Mönche-Kegeln“ vor, eine rustikale Holzbahn mit selbstgestalteten Mönchs-Figuren.

In der Stiftskirche versuchte  Achim McGready, einen Vortrag zu halten, im Haupthaus gegenüber trat derweil der Flötenkreis der Stiftskirche auf einem Teil der Nonnen-Empore auf. Junge Leute spielten dort Theater und ein Liedermacher lud ein, Gott zu loben. Weil Flötenkreis, Spieler und Liedermacher nur durch einen Vorhang vom vollen Kirchenraum getrennt waren, verstanden die Leute dort ihr eigenes Husten nicht. Der Vortrag wurde abgebrochen.

Was stand drin im Manuskript? Dass das Anwesen in Cappel  1522 noch katholisch gewesen und heute evangelisch sei, das wollte McGready in seinem Vortrag erläutern und anschließend mit seinen Zuhörern durch die Geschichte streifen: Prämonstratenser-Nonnen bewohnten ab 1139 ein Kloster in Cappel. McGready geht davon aus, dass es sich dabei um die Tochtergründung eines größeren Prämonstratenser-Mönchsklosters bei Stoppenberg im nördlichen Essen handelte. 1522 war das Stiftsgebäude in Cappel, die Abtei, durch Propst Johannes von Brenken fertiggestellt worden, eigentlich aber wohl durch Menschen vom Land, die Frondienste leisteten. Die Abtei  lag im Herrschaftsgebiet der Edelherren zur Lippe und im Einflussbereich des Erzstiftes Köln.

Autorin auf Spurensuche

McGready weiter: Im Zuge der Reformation wurde die Grafschaft Lippe 1538 evangelisch, 1588 entschied Graf Simon, dass Cappel in ein evangelisches Stift für Damen aus dem hohen Adel umgewandelt werden solle. Ab 1883 durften auch hochgestellte Bürgerstöchter eintreten. 1851 entstand in einem der Stiftsgebäude eine Privatschule für Kinder evangelischen, katholischen und jüdischen Glaubens – die katholische Gemeinde durfte die Stiftskirche für Gottesdienste mit benutzen. Daran zeige sich ein Geist von Offenheit, Respekt und Toleranz, der das Leben und Wirken in der Abtei und den Ort und die Region schon immer geprägt habe, schreibt McGready in seinem Manuskript.

1950 entstand ein Internat für Mädchen, nach dessen Auflösung 1967 eine Pflegevorschule und schließlich eine höhere Berufsfachschule für Soziales und Gesundheit und ein Berufliches Gymnasium für Gesundheit.

Der katholische Diakon Manfred Berkenhaus erläuterte den Besuchern bei den Führungen durchs Haus Geschichte und Alltag der Damen, die hier als Nonnen gelebt hatten. Schwester Pauline zum Beispiel, eine nachhaltig beliebte Prinzessin, die viel von ihrem Geld für Cappel und die Menschen hergab, und deshalb Jahr für Jahr von den Schützen mit einem Aufzug vor ihrem Balkon gefeiert wurde.

Kinder spielten im großen ehemaligen Wohnraum, während der Diakon den Erwachsenen Geschichte näher bringt. Aufmerksam mittendrin: Die heimische Autorin Rita Fust. „Das Tagebuch der Äbtissin“ (2017) ist ihr dritter historischer Roman und spielt in Cappel. Ihr Held Oliver Thielsen entdeckt ein Tagebuch und eine unbekannte Schrift Martin Luthers. Ob sie für eine Fortsetzung auf Spurensuche sei? „Mal schauen“, lächelt Fust geheimnisvoll.

Dirk Skowronsky und seine Schüler Kim, Nele, Mia, Emma, Jule, Susann, nochmal Jule, Robert und Xenia lassen es derweil auf einem der Flure ordentlich scheppern und klackern: Jeder darf ausprobieren, ob er die Mönchsfiguren auf der selbstgebauten Kegelbahn trifft. Ein buchstäblich umwerfendes Vergnügen – wenn die Kugel dorthin rollt, wo sie es soll.

Michael Kaßner lobt derweil den Herrn mit Gesang und mit Gitarre, und alle singen die eingängigen Melodien gerne mit. „Die innere Haltung ist mir wichtig beim Lobgesang“, erklärt Kaßner.

Regina Tschirschke, Myriam und Deborah Schröder, Lina Reinberger, Simon Wellner und Elisa Platte spielen ein Theaterstück über eine Kirchenmaus und eine adelige Tochter, die um Aufnahme bittet – Sigrid Kurth-Kaßner hat das Stück geschrieben und führt Regie.

Diakon Manfred Berkenhaus mit Schriftstellerin Rita Fust, die gerade ihren dritten historischen Roman veröffentlicht hat. Fotos: Thomas Brüggestraße

Das „Mönche-Kegeln“ der Design-Studenten aus der Nachbarschaft des Stiftes auf einer rustikalen Holzbahn mit selbstgestalteten Mönchs-Figuren fand regen Zuspruch.

Staatliche 500 Jahre alt ist das Hauptgebäude des Stift Cappel.