Visionen machen Mut zum Experimentieren

Erstellt am 12.01.2023

Theologieprofessorin aus Kiel berät Presbyterien der Region 8 über Zukunftschancen ihrer Kirche

Mit einer Wortwolke wurden Ideen und Impulse für die Diskussion gegeben.

Von Kathrin Koppe-Bäumer

Marsberg/Medebach/Olsberg-Bestwig/Brilon. „Wir wollen nicht im Trüben fischen, sondern unsere Netze auf der anderen Seite des Bootes auswerfen und Neues ausprobieren“, haben sich die Mitglieder des Koordinierungsausschusses der vier evangelischen Gemeinden im Osten des Hochsauerlandkreis (HSK) vorgenommen. Die vier Presbyterien luden die praktische Theologin  Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong aus Kiel zu einer gemeinsamen Sitzung ein. Dank Videokonferenz-Technik kamen dreiundzwanzig  Männer und Frauen aus dem Sauerland mit der Professorin ins Gespräch.

Den Grund für die aktuelle Krise der Kirche sieht sie darin, dass Finanz-, Struktur-und Mitgliederkrise aktuell zusammenfallen. Die Pfarrer und Pfarrerinnen der geburtenstarken Jahrgänge gehen in den Ruhestand wie auch die gleichalten Mitglieder und Ehrenamtlichen. Vertraute Formate von Kirche sprechen die Mehrzahl der Menschen von heute nicht mehr an.

Wie kann es uns gelingen, möglichst viele unterschiedliche Menschen Gottes Liebe erfahrbar zu machen? Was müssen wir tun oder lassen, damit sie auf Kirche aufmerksam werden und sich vorstellen können, dass eine Begegnung mit Kirche für sie sinnvoll sein kann? Diese Fragen stellten sich die Presbyter und Presbyterinnen, indem einige in die Rolle ihnen vertrauter Menschen ohne Kirchenbindung schlüpften und den anderen erzählten, was ihnen im Leben wichtig ist, was sie suchen und warum Kirche für sie im Moment nicht attraktiv ist.

Einige Antworten: „Ich möchte nicht vereinnahmt und möchte nicht von oben herab belehrt werden. Ich kann nicht so lange auf harten Bänken sitzen, ich bräuchte einen kürzeren Gottesdienst. Kirchliche Veranstaltungen deprimieren mich, ich fühle mich nicht willkommen geheißen. Ich weiß nicht, wie ich mich beim Abendmahl verhalten soll. Eigentlich ist mir gar nicht klar, was die Gemeinde anbietet. Gerne würde ich mit anderen etwas machen und dabei gedanklich in die Tiefe gehen. Ich möchte mich nicht auf Dauer an eine Organisation binden“.

Ortsgemeinden spezialisieren sich

Die Reaktionen der Teilnehmer reichten von „Menschen von heute haben soviel unterschiedliche Bedürfnisse. Die können wir mit unserem Team, das immer kleiner wird, gar nicht alle bedienen“, bis zu „Wir müssen unsere Angebote total verändern“.

Visionen geben Energie, empfahl die Professorin daraufhin und teilte mit den Sauerländern ihre Vision von Kirche 2047: In 25 Jahren kann Kirche auch mit weniger Ehrenamtlichen, Hauptamtlichen und Steuereinnahmen attraktiv und einladend sein. Die Ortsgemeinden spezialisieren sich auf das, was sie gut können und was sie gern tun. Sie laden andere ein, Gemeinderäume mit Leben zu füllen. Sie teilen Konfirmandenarbeit und Erwachsenenbildung unter sich auf. Sie arbeiten mit Beratungsstellen zusammen und geben Veranstaltungen auf, die nicht mehr nachgefragt sind. Nicht in jeder Kirche wird ein traditioneller Gottesdienst sonntags um 10 Uhr gefeiert. An einem Ort gibt es monatliche Jugendgottesdienste, anderswo regelmäßige Meditationsangebote.

Eine Kirche eignet sich besonders für Beerdigungen, eine andere für Taufen und Trauungen. Auch digitale Gottesdienste gehören zum regelmäßigen Angebot. Alle Konfessionen bieten etwas an, teilnehmen darf jeder Mensch, egal ob Kirchenmitglied oder nicht. Menschen aller Altersstufen werben in ihren Medien für ihre Veranstaltungen. Trotz gesunkener Kirchensteuern ist genügend Geld da. Viele stellen Zeit, Geld, Ideen und Tatkraft zur Verfügung.

Eine ansprechende Vision - zu schön um wahr zu sein. Aber, wie sollen wir das schaffen? hielten einige der Professorin vor. „Indem Sie da anfangen, wo heute schon Sachen gut gelingen“, gab diese zurück. „Was läuft in welcher Gemeinde gut, was wird nur gemacht, weil es gemacht werden muss? Entscheiden Sie sich, an einem Ort das, am anderen jenes zu machen und finden Sie heraus, was Sie lassen und was Sie gemeindeübergreifend veranstalten wollen. In der Konfirmandenarbeit haben Sie mit dem Konfi-Camp schon begonnen. Da geht noch mehr. „

Die gut informierte und aufmerksam zuhörende Theologin machte mit ihren Schlussworten Mut: „Mir hat es Freude gemacht, mit Ihnen zu arbeiten. Sie sind eine offene und motivierte Truppe“.

 

Die praktische Theologin Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong aus Kiel teilte ihre Visionen einer zukünftigen Kirche.