Ein Stadtbild verändert sich

Erstellt am 28.10.2022

Die Neugestaltung der Stadtkirche Brilon ist in vollem Gange

Das Dach des Turms ist bereits abgedeckt, der Turm wird abgetragen, bald wird von ihm nichts mehr zu sehen sein. Fotos: Julie Riede

Von Julie Riede

Brilon. Im Eingang der Kirche liegen schwere Gesteinsbrocken. Der Turm ist teilweise schon verschwunden und ragt nicht mehr über das Kirchenschiff hinaus. Gerade noch war die Uhr zu sehen, die zum altbekannten Bild des Turms der Stadtkirche gehört. Es ist Präzisionsarbeit von Hand, mit der die ersten Abrissarbeiten des Kirchturms  getätigt werden – bevor die schweren Geräte den Rest erledigen. Die Evangelische Stadtkirche Brilon, die 1855/56 von Karl Friedrich Schinkel erbaut wurde, steht seit 1976 unter Denkmalschutz. Nun wird sich dieses Denkmal für immer verändern. Doch in diesem Abschied steckt auch ein Neubeginn.

Vor dem Abriss wurden die wertvollen Inhalte des Turms „geborgen“: das wertvolle und seltene mechanische Uhrwerk der Kirchturmuhr; es ist eines der letzten im Sauerland. Die Glocken, die aktuell sicher eingelagert sind – sie harmonierten klanglich mit den Geläuten der umliegenden katholischen Kirchen. Es ist unklar, wann und ob sie wieder erklingen werden. Aktuell lagern sie beim Dachdecker und sollen anschließen im Heimatmuseum einen Platz finden.

Und die geschichtsträchtige gusseiserne Wendeltreppe, das „Rückgrat“ des Turmes, wie Pfarrer Rainer Müller sie liebevoll betitelt hat. Sie ist bereits heimgekehrt: in die Villa Hoppecke, wo sie ihren Ursprung hatte. Der damalige Direktor der Sprengstofffabrik ließ die aus Stufen der Isselburger Hütte gefertigte Treppe in der Villa losschweißen und im Kirchturm der Stadtkirche wieder aufbauen. Als Dr. Mark Zoellner, Chef der Firma Hoppecke, von der Geschichte der Treppe und ihrem ungewissen Schicksal hörte, war ihm sofort klar: „Wir nehmen sie gerne bei uns auf und werden einen würdigen Platz für sie finden.“ Nach 100 Jahren im Kirchturm kehrte die Treppe nun also zurück.

Wie die Kirche zum Turm kam

Die Evangelische Kirchengemeinde hatte 1855 nur 250 Mitglieder, deren Spendenbereitschaft allein nicht zum Bau der Kirche ausgereicht hätte. Überliefert ist:  Die Stadt Brilon übereignete unentgeltlich das Grundstück vor dem Kreuziger Toran  der alten Stadtmauer und bewilligte einen Bauzuschuss in Höhe von 150 Talern. Dazu heißt es in einem noch erhaltenen Zeitungsbericht aus dem Jahr 1851: „Zum Neubau einer evangelischen Kirche hat hiesige Stadt einen passenden Bauplatz geschenkt und auch teilweise freie Bauholzabgabe in Aussicht gestellt.“ Ursprünglich hatte die Kirche lediglich einen für die damalige Zeit kostengünstigen Giebelturm mit Kupferdach. Die Einweihung der Stadtkirche erfolgte am 19. Oktober 1856. 1922 wurde an der Westseite anstelle des Giebelturmes der Kirchturm mit Glockenhaube angebaut, der nun so marode ist, dass der Abriss alternativlos ist.

Das Hauptgebäude der Stadtkirche Brilon ist ein vierachsiger Saal in Quaderbauweise mit eingezogener Apsis. Der Dachstuhl liegt innen frei. Auf der Westempore steht eine spätromantische Orgel mit einem Neurenaissance-Prospekt. Sie wurde 1902 von Eduard Vogt aus Korbach gebaut. Der Innenraum wurde im Laufe der Zeit mehrfach umgestaltet und renoviert. Als Bausteine wurden Sand- und Bruchsteine gewählt. Eben diese wurden dem Turm zum Verhängnis. Genauer gesagt der Mörtel, der die unregelmäßigen Steine nicht optimal im Gefüge halten und den Wetterbedingungen des Sauerlandes letztlich nicht standhalten konnte.

Nun wird er mit Meißeln und Pressluft vom Stein getrennt. Die Abrissarbeiten haben sich lange verzögert. „Fehlende Rückmeldung der Firmen war der Grund für die Verzögerung“ so Pfarrer Rainer Müller. „Es ist kein Geheimnis, dass in der Baubranche aktuell viel zu tun ist. Und nicht jede Firma kann eine solch komplizierte Arbeit machen, besitzt das entsprechende Gerät und die Erfahrung.“

Zwei Wochen dauerte der Dachabbau des Kirchturms. Die Firma Tillmann begann den Turmabriss zunächst mit Meißeln, danach folgt schwereres Gerät. Die abgetragenen Steine können für Spenden erworben werden, vielfach wurde bereits danach gefragt. Kalender, Aufkleber und Postkarten mit dem ursprünglichen Bild der Kirche mit Turm wurden gedruckt. Sie sollen über den Kirchenwagen verkauft werden, der jedes Wochenende auf dem Marktplatz am Rathaus steht. Und auch im Gemeindehaus sollen sie schon bald erhältlich sein.

So kannten die Menschen in Brilon und ihr Pfarrer Rainer Müller ihre Kirche. Inzwischen ist der Turm zu mehr als einem Drittel abgetragen. Foto: Hans-Albert Limbrock

So geht es weiter

Trotz der fehlenden Fördergelder, die allesamt nicht bewilligt wurden, konnten durch Spenden und Rücklagen der Turm-Abriss und die Neugestaltung des Innenraums in Angriff genommen werden. Noch etwa 100.000 Euro fehlen für die vollständige Umsetzung der Pläne für den Innenraum: Mobiliar, Technik und anderes Equipment sollen die Kirche zu einem modernen ökumenischen Raum der Begegnung für alle Menschen in Brilon machen. Gottesdienste, Theater, musikalische Aufführungen – vieles ist denkbar. „Mit gemeinschaftlicher Hilfe kann dies Wirklichkeit werden und ein ´neuer-alter`, wunderbarer Raum für Begegnung in Brilon entstehen“ ist sich Pfarrer Müller sicher.

Geröll liegt im Eingang der Stadtkirche, Betreten aktuell verboten.