Bomben auf Soester Kirchen

Erstellt am 20.02.2020

Von Hans-Albert Limbrock

SOEST. Der Tod kam aus der Luft. Tonnenschwer. Im Dezember 1944 und im Februar sowie März 1945 nahmen die Alliierten die Stadt Soest aus Hunderten von Flugzeugen schwer unter Beschuss. Allein bei dem Angriff am 5. Dezember 1944 – dem größten auf Soest im gesamten 2. Weltkrieg – wurden in weniger als 30 Minuten  über 1800 Tonnen Spreng- und Brandbomben auf Soest abgeworfen. Fast 500 Flugzeuge ließen ihre tödliche Fracht aus dem Himmel regnen.

Die Bilanz dieses Horrortages: Vernichtend. 220 Menschen starben, 1000 Wohnhäuser wurden völlig zerstört, über 700 zum Teil schwer beschädigt. Auch zahlreiche Kirchen erlitten bei diesen Angriffen sowie bei denen zuvor und nach dem 5. Dezember zum Teil schwere Schäden. Als „Sacco die Susato – die Verwüstung Soests“ hat Senator Dr. Hubertus Schwartz diese Tage später beschrieben.

Besonders hart hatte es die Petrikirche bei dem Angriff am 28. Februar 1945 getroffen. Chor und Kreuzschiff wurden dabei völlig zerstört. In einem Beitrag für die „Soester Zeitschrift“ (Band 60) hat Pfarrer Bernd-Heiner Röger das wie folgt beschrieben: „Die Explosion führte zum Einsturz des Kreuzschiffes und des gesamten gotischen Chores. Nur das romanische Langhaus blieb stehen und die äußeren Wände des Kreuzschiffs mit der Fensterrosette.  Im  Innern  war  besonders  Wertvolles  gesichert  worden:  1942  hatte  man in der Turmhalle eine Luftschutzkammer errichtet, in der die bedeutendsten Kunstschätze der Kirche – der Kleppingaltar, die Triumphkreuzgruppe und die beiden mittelalterlichen Apostelscheiben aus dem Fenster im Herrenchörchen – untergebracht waren. Anderes jedoch wurde unter den Steinmassen begraben und war unwiederbringlich dahin: der barocke Hauptaltar, die Wandgemälde im Chorraum, Abendmahlskelche, Kronleuchter, Kirchengestühl und einige Bilder. Die Kanzel und der Taufstein, der in zwei Teile zerborsten war, waren schwer beschädigt, ebenfalls die Orgel, bei der durch den Luftdruck der Prospekt auf Pfeifen und Spieltisch gedrückt wurde. Zerstört wurde auch der Südflügel des Petrushauses mit wertvollen Gemälden.“

Es sollte viele Jahre, ja Jahrzehnte dauern, bis die Kriegsschäden komplett beseitigt waren. Erst zum 1. Advent 1955 wurden im Rahmen eines „Festlichen Dankgottesdienstes“ Kreuzschiff und Chorraum der St. Petri-Kirche wieder in Dienst genommen. 1959 kamen neue Chorfenster in die Kirche, 1967 und 1971 die beiden Fenster im Kreuzschiff, 1955 – 1968 wurde neue Bronzetüren eingebaut, 1962 – 1964 erfolgte eine Innenrestaurierung und erst 1980 kam der Kleppingaltar an seinen angestammten Platz zurück. Pfarrer Röger: „Erst als 2006 die neue Orgel eingeweiht wurde, war der letzte Kriegsschaden behoben.“

Ähnlich schlimm hat es bei den Bombardements auch den benachbarten Patrokli-Dom getroffen. In seinem Beitrag „Der Wiederaufbau von St. Patrokli“ schreibt Jürgen Peters: „Am 5. Dezember 1944, abends um 21 Uhr, trifft eine Bombe die Nordwand des Westwerks und lässt diese zum Teil einstürzen. Der Rest ist nicht mehr standsicher und muss später abgetragen werden. Auch die vier angrenzenden Gewölbe stürzen ein. 15 Fenster im Hauptschiff werden vernichtet. Im letzten Kriegsjahr wird der Patrokli-Dom nochmals schwer heimgesucht. Am 28. Februar 1945, nachmittags gegen 16 Uhr, treffen Spreng- und Brandbomben das Gotteshaus. Zwei Gewölbe im Hauptschiff werden durchschlagen. Die große Orgel wird vollständig vernichtet. Zum Glück können die Brände ziemlich schnell gelöscht werden. Den schwersten Schlag aber erleidet der Dom am 7. März 1945, vormittags um 11 Uhr. Fast das gesamte Mauerwerk der Apsis mit den wertvollen romanischen Fres-ken des 12. Jahrhunderts sowie ein großer Teil der südlichen Chorwand werden vernichtet. Allein ein Fenstergewände mit der Darstellung eines alttestamentarischen Königs wird verschont. Der Hochaltar wird zerstört und mit dem Tabernakel unter den Schuttmassen begraben. Ein großer Bombentrichter tut sich auf. Die Wände und das Gewölbe der Sakristei werden schwer beschädigt, ihre Ostwand und ein Teil ihrer Nordwand stürzen ein.“

Nahezu jede der zahlreichen Soester Kirchen, Kapellen, Pfarr- und Gemeindehäuser und anderer kirchlicher Einrichtungen wird in den langen Kriegsjahren durch die verheerenden Angriffe in Mitleidenschaft gezogen. Die Thomäkirche und das benachbarte Pfarrhaus Stein etwa brannten am 28. Februar 1945 lichterloh. Pastor Stein und seine Tochter wurden schwer verletzt. Die Pfarrersfrau  erlitt in dieser Nacht einen Herzinfarkt und verstarb. Bereits am 5. Dezember 1944 war das Predigerseminar zerstört worden.

Schon in den Jahren zuvor war Soest, dessen Güterbahnhof ein wichtiger Umschlagplatz für Munitionstransporte und Truppenverschiebungen war, immer wieder aus der Luft attackiert worden. Im September 1941 etwa wurden durch einen dieser Angriffe alle Fenster der Südseite der Wiesenkirche zerstört. Fast schon Ironie: Darunter auch das „Kriegsgedächtnisfenster“ von Elisabeth Cöster. Auch in der Hohnekirche gingen bei einem frühen Angriff sämtliche Fenster zu Bruch. „Sämtliche Kirchen wurden gebrauchsunfähig“, heißt es dazu in den Aufzeichnungen von Dr. Hubertus Schwartz, dem damaligen Vorsitzenden des Vereins für Geschichte.

In der Petrikirche gibt es aktuell eine Ausstellung mit Bildern und Texten zu dem Thema, die noch bis zum 6. März zu sehen sein wird.

Fast der gesamte Chorraum der Petrikirche wurde bei dem Angriff am 28. Februar 1945 zerstört. Foto: Stadtarchiv Soest

Von der Thomäkirche blieben nur Trümmer stehen. Foto: Eberhard Linnhoff

„Sacco die Susato – die Verwüstung Soests“ hat Senator Dr. Hubertus Schwartz die Tage der Zerstörung später genannt. Foto: Helmut Philippi im Stadtarchiv Soest

Trotz oder vielleicht auch gerade wegen der Zerstörung haben die Kirchengemeinden – hier Patrokli und Petri – versucht, das kirchliche Leben auch während der Kriegsjahre aufrecht zu erhalten. Foto: Stadtarchiv Soest