Und am Anfang war das Wort

Erstellt am 06.03.2020

Von Thomas Brüggestraße

SOEST - Dass eine Zeitung vor Ort Woche für Woche Platz hergibt für eine Kolumne über Gott und die Welt, über philosophische und theologische Betrachtungen, verfasst vorwiegend von Laien beider Konfessionen? Dass dieses „Wort zum Sonntag“ im „Soester Anzeiger“ schon seit fünfzig Jahren gut funktioniert und angenommen wird? „Absolut ungewöhnlich“, so heißt es schon im Vorwort zur Festzeitschrift des Autorenkreises, und so lobten es auch der evangelische Pfarrer Kai Hegemann und der katholische Propst Dietmar Röttger jetzt beim ökumenischen Festgottesdienst in der Wiesenkirche für aktuelle und ehemalige Autoren und Autorinnen.

„Das Leben durchbuchstabieren, den Glauben weitersagen, das ist unendlich wertvoll“, so sagte Dietmar Rötger beim Gottesdienst und bezog sich auf den Johannes-Prolog in der Bibel: „Im Anfang war das Wort.“ Etwas zutiefst Schöpferisches sei es, das könne man so auch auf das „Wort zum Sonntag“ übertragen. Röttger: „Das Schreiben stellt Öffentlichkeit her, es ist ein besonderes Format der Verkündigung – und immer steht ein ganz bestimmter Mensch dahinter mit seinen eigenen Erfahrungen und Gedanken – manchmal braucht es auch Mut, Dinge anzusprechen. Ich beglückwünsche alle hier in der Kirche. Einen herzlichen Dank an den Anzeiger für diese Plattform!“

Wie der Sämann in der Bibel (Markus 4)  stünden alle, die schreiben, immer wieder vor der Frage, auf welchen Boden denn ihre Saat wohl fallen werde – längst seien ja nicht mehr alle christlich, die in der Zeitung lesen und Glauben sei oft infrage gestellt. Umso wichtiger sei es eben, dass die Worte zum Sonntag nie böse oder verbittert seien, sondern positiv, aufrichtend, voller Hoffnung, vom Heiligen Geist durchwirkt.

Dass den vielen Autorinnen und Autoren dies in fünfzig Jahren immer wieder und immer wieder auch in herausragender Weise gelungen sei, dass strichen unter anderem Elisabeth Kassing und Jürgen Wilming-Gefeke als aktuelles Leiter-Team des Autorenkreises dankbar heraus. Eine besondere Aktion findet sich in der Festschrift: Zehn Personen des öffentlichen Lebens suchten aus den letzten neun Anzeiger-Jahrgängen ihr Lieblings-Wort-zum-Sonntag heraus.

Wie man ein Wort zum Sonntag schreibt, wie man zum Autorenkreis findet? „Man wird dazugebeten“, erzählen Inga Schubert-Hartmann und Mechthild Brand beim anschließenden Treffen im Wiese-Gemeindehaus. Schubert-Hartmann: „Es gibt einen groben Plan fürs Jahr, jeder kommt ungefähr zwei Mal dran. Schreiben darf man über alles, was einen bewegt – ich habe auch schon über Kunst geschrieben. Man darf ruhig kritisch sein, aber nicht komplett negativ. Verständlich sollen wir schreiben, mit einfachen Worten – wir wollen ja viele Menschen erreichen.“

Wie groß der Zeitdruck ist? „Man kann sich drauf einrichten mit dem Schreiben, und trotzdem wird’s manchmal knapp mit der Abgabe immer donnerstags in der Redaktion.“ Worte zum Sonntag regen an, das merke sie immer wieder, sagt Schubert-Hartmann: „Ich find’s toll, wie die Leute reagieren. Die rufen manchmal schon um neun Uhr morgens an, wenn ich was geschrieben habe, sagen, dass ihnen die Zeilen gut getan haben oder dass sie reden möchten über den Text.“

Sie lächelt: „Kommt doch an bei den Leuten – doch, doch, das Wort zum Sonntag, das passt noch richtig gut in diese Zeit. Auch wenn viele keine Kirchgänger mehr sind.“ Bei aller Freude sagt Inga Schubert-Hartmann dann aber auch: „Heute ein Wort zum Sonntag zu schreiben, das fällt mir zumindest schwerer: Man macht sich schon Sorgen, ob man nicht am nächsten Tag bei Facebook landet und angefeindet wird, weil man dieses oder jenes geschrieben hat…“

Die Honorare, die der Anzeiger zahlt, sie werden vom Arbeitskreis gespendet, mal ans Frauenhaus in Soest, dann ans Hospiz, das berichtete Elisabeth Kassing.

Wie alles begann beim Anzeiger, was der Antrieb war und warum der Anzeiger die Reihe weiter beibehält? „Journalistische Neugier“, das antwortete Holger Strumann, der für die Redaktionsleitung am Festgottesdienst und dem Treffen danach teilnahm: „Ist denn Ökumene schon erreicht?“ Für ihn bleibe das Wort zum Sonntag Woche für Woche weiter eine spannende Sache.

Den persönlichen Kontakt mit den Autoren direkt an seinem Schreibtisch vermisst er, so schreibt Holger Strumann im Gastbeitrag zur Festzeitschrift: „Es hatte damals seinen Charme und seine Vorzüge, die Autoren unter der Woche in der Redaktion zu treffen, wenn sie ihr Manuskript vorbeibrachten. Denn sie hatten nicht nur das Stück Papier dabei, sondern auch noch einen Tipp für eine gute Geschichte, eine Anekdote oder einfach nur ein paar nette Worte…“

Gruppenbild mit allen, die schreiben, und mit Holger Strumann vom Soester Anzeiger (links) und Bürgermeister Dr. Eckhard Ruthemeyer (2. von rechts). Fotos: Thomas Brüggestraße

Gemeinsamer Segen zum Abschluss des Gottesdienstes in der Wiesenkirche.