Das Lachen ist zurück

Erstellt am 13.03.2020

Von Hans-Albert Limbrock

HERZFELD/WESLARN. Shokufe kann wieder lachen. Kein Vergleich mehr zu der Frau, die im September vergangenen Jahres in Herzfeld von der Evangelischen Gemeinde Weslarn ins Kirchenasyl aufgenommen worden ist. Damals war sie zutiefst verängstigt, völlig verzweifelt und mutlos. „Dann haben wir ihr unsere Kirche gezeigt und hat man hat gespürt, wie sie vor dem Altar aufgeatmet hat. Schon am nächsten Morgen war sie wie ausgetauscht“, erinnert sich Pfarrer Ralph Frieling an die erste Begegnung mit der 56-jährigen Iranerin.

Über die zentrale Unterbringung für Flüchtlinge in Wickede hatte sie den Weg ins Lippetal gefunden. Da lag bereits eine lange Fluchtgeschichte hinter ihr. 2014 war sie aus dem Iran nach Schweden ausgereist, um einen dort lebenden Iraner zu heiraten, den sie lange kannte. Doch das Glück sollte nicht lange halten, denn ihr Mann verstarb bereits kurz nach der Hochzeit, und Shokufe Mirjahan geriet in die Mühlen der bisweilen so unbarmherzigen Asyl-Maschinerie.

Ein paar Jahre zuvor hätte sie im vermeintlich so liberalen Schweden vermutlich problemlos eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen, doch inzwischen gehen auch die Skandinavier recht rigoros gegen Flüchtlinge vor: Zurück in den Iran! lautete die Forderung der Behörden.

„Das aber“, so Frieling, „hätte den sicheren Gefängnisaufenthalt bedeutet.“ Da Shokufe inzwischen Christin geworden war, hätte sie bereits am Flughafen in Teheran mit der Verhaftung rechnen müssen. Ja sogar mit der Todesstrafe, denn wer im Staat der Ayatollahs zum Christentum konvertiert, wird mit dem Tod bedroht.

Da sie Verwandte in Dortmund hat, schien ihr die Flucht nach Deutschland der einzige Ausweg. Doch auch hier entschieden die Behörden auf alsbaldige Abschiebung – zurück nach Schweden. Als einzige Alternative blieb der Weg ins Kirchenasyl.

Bereits seit einigen Jahren hatte man sich im Presbyterium der Kirchengemeinde mit der Möglichkeit, Menschen ins Kirchenasyl aufzunehmen, beschäftigt. Aber erst als die Wohnung im Gemeindehaus in Herzfeld in unmittelbarer Nachbarschaft zur Dankes-Kapelle frei wurde, konnten die Überlegungen konkretisiert werden.

„Wir haben das intensiv diskutiert und uns dann dazu entschieden, weil wir es für absolut notwendig halten, dass unsere Kirche Menschen, die geflüchtet sind, in bestimmten humanitären Notsituationen Hilfe anbietet. Und dazu gehört auch das Kirchenasyl als ultimo ratio“, fasst Frieling die Motivation seines Presbyteriums zusammen.

Die Gemeinde konnte sich vom ersten Tag an auf ein breites Netzwerk an Unterstützung und Unterstützern verlassen. Von der Landeskirche in Bielefeld, von der Flüchtlingsberatung der Diakonie und der Flüchtlingshilfe des Kirchenkreises gab und gibt es Hilfe sowie Beistand in rechtlichen wie formalen Fragen.  „Ich bin froh, dass das Kirchenasyl nach den zuverlässigen Absprachen mit den Kirchen und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geduldet wird“, so Frieling. Zu der Absprache gehört, dass Flüchtlinge im Kirchenasyl das Areal der Kirche  nicht verlassen dürfen; andernfalls könnten sie verhaftet werden.

Ein besonderer Glücksfall ist es, dass der Asylarbeitskreis in der Gemeinde Lippetal  mit praktischer Hilfe unentwegt zur Seite steht. Die freiwilligen Unterstützer, die auf eine lange Erfahrung in der Betreuung geflüchteter Menschen zurückblicken können, übernehmen Einkäufe und sorgen mit Sprachunterricht, gemeinsamem Kochen und Kreativangeboten für Abwechslung im sonst doch oft eintönigen Alltag der Geflüchteten.

Frieling: „Es war überraschend und erfreulich zugleich, wie gut das alles ineinander gegriffen hat. Aber ohne eine solch breite Unterstützung geht es auch nicht. Das würde einfach nicht funktionieren.“

Inzwischen ist das Kirchenasyl für Shokufe Mirjahan formal beendet; sie darf vorläufig nicht abgeschoben werden und kann sich wieder frei bewegen. Über ihren Asylantrag wird nun neu verhandelt. Die Chancen, dass sie in Deutschland bleiben kann, stehen nicht schlecht. Und sie weiß auch schon genau, wo sie ihre Zukunft am liebsten verbringen möchte: „Ich möchte gerne in Lippetal bleiben.“

Das möchte auch Ali Hatami gerne. Er ist seit November 2019 ebenfalls im Kirchenasyl der Evangelischen Kirchengemeinde und hofft nun auf einen ähnlich positiven Bescheid wie bei seiner Mitbewohnerin. Zusammen mit Shokufe hat er im Gemeindehaus an der Diestedder Straße so etwas wie eine Wohngemeinschaft gebildet. Auch er ist überzeugter und praktizierender Christ und musste deshalb aus seiner vom Islam geprägten Heimat fliehen: „Dort konnte ich meinen Glauben nicht leben und musste mit dem Tod rechnen.“

In der Kirchengemeinde bringt er sich aktiv ein, hilft, wo er nur kann. „Hier ist es so schön ruhig. Endlich muss ich keine Angst mehr haben, meinen Glauben zu zeigen und zu leben.“

Ob die Kirchengemeinde auch in Zukunft weiterhin Kirchenasyl anbieten wird, ist noch nicht entschieden. „Wir werden das sicher von Fall zu Fall entscheiden“, erklärt Pfarrer Frieling. Doch schon jetzt steht für ihn fest, dass die beiden aktuellen Kirchenasyle eine absolute Bereicherung für die Gemeinde sind. „Die Reaktionen fallen überwiegend positiv aus.“

Gemeinsam haben sich Mitglieder der Evangelischen Kirchengemeinde und aus dem Arbeitskreis Aysl der Gemeinde Lippetal unter Federführung von Pfarrer Ralph Frieling um die beiden iranischen Flüchtlinge Shokufe Mirjahan und Ali Hatami gekümmert. Fotos: Hans-Albert Limbrock